Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.2010, Síða 69
Liebe und Durst
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zu entnehmen. Sie fiihrt im Gegenteil den Benutzer in die Irre.13
Unger druckte die Vita zweimal. Dem ersten Text wurde Holm perg
114to (St.) zugrunde gelegt, die Handschrifiten am 234 fol (A), am 232
fol (B), am 633 4fo (C) und am 634—635 4fo (D) wurden zu Varian-
ten herangezogen. Dort finden sich auch die beiden langeren sowie
zwei kleinere Erweiterungen von Holm perg 14to (E), nicht aber der
umfangreiche Prolog. Der Text von St. auf der einen Seite und von
A/B/C/D auf der anderen zeigt erhebliche Abweichungen, es han-
delt sich dabei ja um den bzw. die Vertreter zweier unterschiedlicher
Redaktionen. Kurioserweise verfuhr nun Unger so, dafi er fast alle
Erweiterungen von St. gegeniiber A/B/C/D sowie einen erheblichen
Teil der abweichenden Lesarten in den Anmerkungsapparat steckte.
Dies hat zur Folge, dafi der Haupttext nicht mehr die Redaktion
reprasentiert, der die zugrunde gelegte Handschriff St. angehort (von
mir als Redaktion 11 bezeichnet), sondern im Gegenteil die Redaktion
der Variantenhandschriffen A/B/C/D (von mir als Redaktion 1 be-
zeichnet). Dieses Verfahren liefie sich als umståndliche Kuriositat noch
hinnehmen, wenn nicht Unger dann 269 Seiten spater den Text eben
dieser Redaktion 1 nach A nochmals abdruckte. Zudem bleiben da-
bei die Varianten der Handschriften B/C/D vollig unberiicksichtigt.
Dadurch entsteht der Eindruck, als wichen beide Redaktionen nur un-
wesentlich voneinander ab, ja man wundert sich, daft noch niemand auf
den Gedanken verfiel, die Existenz zweier Redaktionen anzuzweifeln.
In der Tat, lafit man die Fufinoten aufier Acht, dann findet man bei
Unger eben wirklich zwei Texte, die wenig verschieden sind. Hinzu
kommt, dafi Unger an sehr vielen Stellen Lesarten, ja ganze Phrasen
aus der Redaktion 1 in die Redaktion 11 iibernahm, ohne dies kenntlich
zu machen. Dieser falsche Eindruck wird weiter durch den Satzspiegel
des Buchs gefordert. Da der Text des Variantenapparats in kleineren
Typen gesetzt ist, nimmt die Redaktion von St. mit 62 Druckseiten
13 Vgl. z. B. Siraek & Hermann Pålsson 1987, S. 243.