Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.2010, Page 81
Liebe und Durst
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2. Als Bernhard erwachsen ist, befallt seine Mutter die letzte Krank-
heit. Deshalb werden Kleriker und Geistliche zusammengerufen, um
3 ihr das Sterbesakrament zu spenden. Nach dem Ende der sieben Psal-
men [gemeint sind die sieben Bufipsalmen] und als der Geistliche den
Vers Per passionem etcrucem tuam libera eam, domine (‘Durch dein Lei-
6 den und Kreuz erlose sie, o Herr!’) spricht, hebt sie ihre rechte Hånd
und schlagt ein Kreuz, und im selben Augenblick tritt ihre gesegnete
Seele aus, so dafi die Hånd geradewegs zum Himmel erhoben bleibt,
9 sich nicht nieder zum Korper beugend, sondern offenbar machend,
welchen Weg die Seele aus dem Fleisch fuhr. Und das wird flir den
jungen Bernhard rasch zur Gewissheit, dafi seine Mutter Elerin bei
12 Gott lebt, denn sie erscheint ihm eines Nachts, ziemlich zornig in
ihrem Aussehen, so sprechend: “Du Bernhard,” sagt sie, “beschåftigst
dich mit Biichern weltlichen Wissens als befandest du dich noch im-
*5 mer in der Schule, in die du in deiner Kindheit gingst, obwohl du
doch gut verstehen kannst, daft es flir dich nicht mehr passend ist,
immerfort ein Kleinkind zu sein. Aber hatte ich zuvor gewufit, daft du
18 so fortfahren wollen wiirdest, hatte ich dich auf keinen Fail an meiner
Brust genahrt.”