Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.2010, Side 91
Liebe und Durst
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15 Wegen soleher Gaben erhob sich Bernhard nicht zum Hochmut, wie
sich in dem erweist, was sich weiter ereignet, denn der allmachtige
Gott erfiillt an diesem Mann, was er selber sagt, daft jeder erhoben
18 wird, der sich erniedrigt.35 Eines Nachts sieht Bernhard neben sich
einen hiibschen Knaben in gottlichem Glanz stehen. Dieser befiehlt
ihm mit der Macht seiner Autoritåt, daft er fortan in vollem Vertrauen
u ausspreche, was ihm von Gott in seinen aufgeschlossenen Mund gelegt
werde.
7. Nach dieser Erscheinung war Abt Bernhard so unerschrocken und
fest, Gerechtigkeit gegen Ungerechte zu verkiinden, daft er Mund
3 der Beredsamkeit und Hammer der Zurechtweisung genannt werden
konnte. Deshalb ist iiber ihn zu lesen, daft sein Auftreten mehr dem
eines Bischofs als dem eines Abtes glich, daft er von Gott weit iiber
6 die Weihen hinaus, die ihm auf Erden zuteil wurden, Macht erhielt,
und zwar in einem solehen Ausmafi, da ft alle Åbte von Clairvaux nach
ihm, bedeutende und hochgeschatzte Manner, unter seiner Macht und
9 seinen Verdiensten ruhten. Da war dann ein anderer Bernhard, ein
heiliger und sehr beriihmter Mann, der spater Papst in Rom war. Da
waren Gerard und Peter Monoculus. Dieser Peter stammte aus einer
u vornehmen Familie und hatte groftes Ansehen in der Welt erlangt,
wenn er es gewollt hatte. Doch er wåhlte lieber, sich von den vergangli-
chen Wurden abzuwenden, sich den Thesaurus verschaffend, der kein
15 Ende hat. Und auf welche Weise er sich in das Noviziat an den Ort
begab, der Igny heiftt, und wie er dann Abt dieses Ortes wurde, der
Valroy heiftt, und danach Abt von Clairvaux, werden wir mit einer
*8 kurzen Erzahlung berichten.
35Vgl. Mth 23,12: qui se bumiliaverit exaltabitur (‘wer sich selbst erniedrigt, wird
erhoht werden’).