Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.2010, Side 114
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Wilhelm Heizmann
wird dort namlich dem jungen Bernhard zu teil (n, 4).105 Schauplatz
der Vision ist in der Vita prima eine nicht genannte Kirche in Chåtil-
lon, wåhrend der altislandische Text sie offensichtlich in einen kloster-
lichen Zusammenhang, den die chronologische Ansiedlung in Bern-
hards reiferem Lebensalter voraussetzt, ansiedelt. Einen konkreten
Grund fur die Erscheinung nennt die Vita prima nicht, dem islan-
dischen Text zufolge ist sie die Belohnung fiir gute Werke. Dage-
gen fehit jeglicher Hinweis darauf, dafi Bernhard in dieser Vision
die genaue Geburtsstunde Jesu mitgeteilt wird, eine Thema, das in
der spåteren Legendeniiberlieferung gerne aufgegriffen wird.106 Als
weitere Abweichung, die keinerlei Entsprechung in der Vita prima
besitzt, ist die Nachdriicklichkeit zu konstatieren, mit der die Vision
als spirituelles Ereignis betont wird. Bernhard sieht die Geburt Jesu in
innerer Seelenschau, nicht mit seinen leiblichen Augen.
Eigentiimlicherweise wird die Weihnachtsvision in der islandischen
Bernhardsuberlieferung mit einer weiteren Erscheinung verbunden,
animo ejus, et nunc usque fatetur, quod eam credat horam fuisse Dominicae Nativitatis.
(Mabillon (Ed.) 1833, Sp. 229; vgl. Paffrath 1984, S. 33 ff.) ‘Die hochheilige Nacht
der Geburt des Herrn war gekommen, und alles rustete sich wie iiblich zu den
feierlichen Vigilien. Und als die Stunde des nachtlichen Gottesdienstes sich noch
hinauszogerte, begab es sich, dafi Bernhard, der mit den anderen dasafi und wartete,
einnickte und in leichten Schlummer fiel. Alsbald zeigte sich dem Knaben der
Jesusknabe in seiner Geburt. Das bedeutete ein Erstarken und Wachsen seines
noch kindlich zarten Glaubens und den Anfang der mystischen Gnaden seines gott-
beschaulichen Lebens. Jesus erschien ihm wie von neuem aus dem Brautgemach
tretend (Ps. 18,6); erschien ihm, wie wenn er abermals aus demSchofie der Jungffau
als “wortloses Wort” geboren wtirde, Kind zwar, doch schoner an Gestalt denn alle
Menschenkinder (Ps. 44,3) und zog das schon nicht mehr ganz knabenhafte Gemiit
des heiligen Knaben in seinen Bann. Er aber war im Herzen iiberzeugt und gesteht
es noch heute, er sei des festen Glaubens, dafi jenes die Stunde war, da der Herr
geboren wurde.’ (Sinz (Ubers.) 1961, S. 38).
105 Vgl. Stegmuller & Lauffs 1967, Sp. 715.
106 Vgl. Graesse (Ed.) 1890, S. 528.