Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.2010, Page 135
Pragmatik in Szene gesetzt
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deren Rechtsbiichern hingegen archaischer Wortschatz und ein ausge-
prågt kasuistischer Aufbau attestiert.17 Betrachtet man nun den Hand-
schriftenbefund, so spiegelt sich der unterschiedliche Entstehungshin-
tergrund dort auffålligerweise gerade in der Anfangszeit nicht wider.18
Ausstattung und Kompilationsmuster der iiberlieferten Handschrif-
ten erwecken vielmehr den Eindruck, dass das Jyske Lov zu Beginn
der Uberlieferung einen den anderen drei dånischen Rechtsbiichern
vergleichbaren Status hatte und erst im 15. Jahrhundert durch ver-
schiedene mediale Strategien besonders in Szene gesetzt wurde. Nicht
zuletzt weil sich die Ånderungen beinahe alle auf das Jyske Lov be-
schrånken und nicht auf die anderen drei dånischen Rechtsbiicher
Anwendung finden, kann dieser Befund nicht befriedigend ausschliefi-
lich mit Modernisierungsbewegungen zum Ausgang des Mittelalters
erklårt werden, sondern ist ebenso sehr als mediale Inszenierung neuer
Vorstellungen der Reichweite und Funktion des (jiitschen) Rechts zu
verstehen.19 Auf der Grundlage der materiellen Uberlieferung scheint
dem Jyske Lov somit erst gegen Ende der mittelalterlichen Uberliefe-
rung eine Sonderstellung zugeordnet worden zu sein. Auf die Indizien,
die fur diese These sprechen, soli im Folgenden nåher eingegangen
werden.
17Vgl. z. B. Jens Ulf Jørgensen: “Skånske Lov”. In: klnm 16, 81; Fenger 1983, 97;
Dieter Strauch: “Schonen”. In: rga 27, 257.
18 Die in Fn. 9 angefiihrte Bemerkung Thelma Jexlevs, dass das Primat des Jyske Lov
sich bereits in der mittelalterlichen Handschrifteniiberlieferung ausmachen lasse,
bedarf der Modifikation. Bis 145° stellen die Handschriften des Jyske Lov nur ein
gutes Drittel aller dånischen Rechtsbuchhandschriften. Erst ab etwa 1450 kehrt sich
das Verhåltnis um, und die Handschriften des Jyske Lov bilden nun 60 Prozent aller
iiberlieferten Handschriften (vgl. Tabelle 2, S. 155).
19 Zur Reichweite des Begriffs der Inszenierung als Element kulturwissenschaftlicher
Deutung vgl. Seel 2001, 49; Fischer-Lichte 2003, 42. Die Verwendung dieses
Begriffs im vorliegenden Artikel ist dariiber hinaus auch den Uberlegungen Dieter
Merschs (2002) und Hans-Ulrich Gumbrechts (2004) zur pråsentischen und
auratischen Wirkung von Objekten verpflichtet.