Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.2010, Page 146
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Lena Rohrbach
Anhand des Aufitretens von Kurzfassungen, einer dritten auffålli-
gen Neuerung in dånischen Rechtsbuchhandschriften des 15. Jahrhun-
derts, soli an dieser Stelle schlieftlich eingehender illustriert werden,
wie schwierig die Frage danach, ob eine Kulturtechnik primar aus
pragmatischen oder aber inszenatorischen Erwagungen heraus ein-
gefiihrt wurde, zu beantworten ist. Kurzfassungen bieten sich zur
Untersuchung der medialen Pråsentation des Jyske Lov besonders an,
da in ihnen die verschiedenen medialen Aspekte ausgepragter als bei
den anderen beiden Phanomenen gemeinsam zum Tragen kommen.
Durch Register verschiedener Art wird der Inhalt eines Textes oder
Codex vor allem raumlich erschlossen und verfiigbar gemacht, die
Glossen erschlieften den Text dagegen durch weiterfiihrende Erlåute-
rungen und Querverweise zu entsprechenden Regelungen im gelehr-
ten Recht und den anderen dånischen Rechtsbiichem primår auf der
Inhaltsebene, zeigen zugleich aber durch das besondere Rahmenlayout
einen bestimmten autoritativen Status des so kommentierten Textes
an. In Kurzfassungen, so genannten Summen oder Remissorien, wird
der Inhalt des Textes oder eines Codex schliefilich vergleichbar mit
den Registern einerseits in einem raumlich iibersichtlichen Rahmen
pråsentiert, andererseits gleichzeitig aber auch potentiell neu arran-
giert. Wåhrend die Glossen somit eine den Ursprungstext begleitende
textuelle Neuform bilden, stellen die Kurzfassungen eine Umarbei-
tung des Grundtextes dar, die diesen gegebenenfalls ersetzen soli.
Auch bei Kurzfassungen handelt es sich um eine in der scholastischen
Tradition entwickelte Kulturtechnik, die im gelehrten Recht seit dem
13. Jahrhundert eingesetzt wurde, und wiederum gibt es auch fur die
volkssprachlichen Rechtsbiicher auberhalb des nordischen Raums seit
dem Anfang des 15. Jahrhunderts eine Vielzahl verschiedenartig auf-
gebauter Kurzfassungen.36 Daneben liegen anders als bei den anderen
36 Zum Sachsenspiegel gibt es eine ganze Reihe von textuellen Umformungen, wie
etwa den so genannten Schliissel des Sachsischen Landrechts. Diese sind jedoch