Jökull - 01.12.1983, Blaðsíða 28
daher mit viel Verstandnis fiir die kargen
Lebensverhaltnisse im Island jener Zeit.
Abb. 1. Otto Krug v. Nidda (Island-Reise: 1833)
Otto Krug v. Nidda (Abb. 1)
Erst 1833, zwölf Jahre nach Thienemann, kam
zum ersten mal ein Geologe aus Deutschland nach
Island, Otto Krug von Nidda (1810-1885).
Beruflich war er Bergmann, aber mit vielen geo-
logischen Interessen (eine seiner wissenschaftlichen
Arbeiten galt Graptolithen-Funden in Schlesien!);
in seinen spáteren Jahren, seit 1854, war er in der
preussischen Bergbauverwaltung Berlin tátig,
zuletzt in der hohen Stellung eines Oberberghaupt-
mannes und Abgeordneten des deutschen Reichs-
tages. Seine "Geognostische Darstellung der Insel
Island” erschien 1834 in Karstens Archiv fur
Mineralogie und Bergbau.
Wenn man die darin enthaltene “Charte von
Island“ ansieht, scheint uns (wie 1905 auch Thor-
oddsen) die nun 150 Jahre alte Darstellung primitiv
und nicht des Lesens wert zu sein. “Grosses Lángen
Thal im Trachit" — so bezeichnet er das, was heute
“Neovulkanische Zentralzone“ heisst. Tatsáchlich
aber enthált dieses Erstlingswerk des 22jáhrigen
auch ausgezeichnete Beobachtungen und Uberleg-
ungen, mit denen er zu den Anschauungen seiner
Zeit Stellung nimmt. Als Bergschiiler in Freiberg in
Sachsen hat er zwar Abraham Gottlob Werner
nicht mehr kennengelernt, doch der Streit um die
Entstehung des Basalts zwischen Neptunisten und
Plutonisten war noch in aller Munde; der treue
Paladin Werner‘s, J. W. v. Goethe, starb erst 1832.
Die Plateaubasalte Islands (die “Trapp-Form-
ation“) boten die beste Möglichkeit, Werner‘s
Anschauungen vom wásserigen, “neptunistischen“
Ursprung der “geschichteten" Basalte emeut zu
widerlegen. Aber, fiigt Krug von Nidda verstánd-
nisvoll hinzu: die “Schichten des Trapp-Gebirges“
und “oberfláchliche Anschauung“ “machen wirk-
lich die rein neptunistische Ansicht der Trappbild-
ung verzeihlich“. Auf die fortschrittliche Einstell-
ung des Plutonisten Krug von Nidda kommen wir
spáter, bei G. G. Winkler, noch einmal zuriick.
Sieht man davon ab, dass Krug v. Nidda den
sauren Vulkaniten (seinen “Trachyten") eine zu
grosse Verbreitung zuordnete, so kommt er
heutigen Annahmen unerwartet nahe, wenn man
anstelle seiner Trachyt-Gebiete unseren Begriífder
“Zentralvulkane“ einsetzt, fur die ja das Vor-
kommen saurer Vulkanite charakteristisch ist.
Innerhalb der Trappformation vermutet er z.B.
“mit vieler Gewissheit, dass diese sonderbar
geformte und zerrissene [NW-] Halbinsel einen
Kern von Trachyt in ihrer Mitte besitzt"; oder fur
die Entstehung der vergletscherten Berge (der “Eis-
berge“) sind seiner Meinung nach die “kuppel-
förmigen Plateaux derTrachyte in höchstem Grade
giinstig“, und manches andere.
Die Heraushebung der Trappgebirge im Westen
und Osten fiihrt er auf den “aufbrechenden
Trachyt“ in der “furchtbaren Spalte“ des “grossen
Lángenthals“ zuriick. Damit folgt er dem (nach
Humboldt) “grössten deutschen Geologen" seiner
Zeit, Leopold v. Buch, und dessen veralteten Auf-
fassung von der máchtigen “inneren vulkanischen
Kraft“.
“Der ganze geognostische Bau der Insel ist im
höchsten Grade einfach und leicht zu iiberblicken“
— so iibersichtlich wie Krug v. Nidda sehen es
letzten Endes heute auch (mit völlig anderen
Voraussetzungen) die Plattentektoniker. Eggert
Ölafsson (1772) hat in seiner bewundemswerten
Beschreibung einer “Reise durch Island“
zahlreiche wichtige und neue Einzelheiten der
Natur Islands bekannt gemacht. Doch erst in dem
halben Jahrhundert darnach entstanden in Europa
die Grundlagen der eigentlichen geologischen
Wissenschaft. Der junge Krug v. Nidda war der
erste, der in Island darauf aufbaute; seine
“geognostische Darstellung“ der Insel stellt die
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