Mitteilungen der Islandfreunde - 01.06.1932, Blaðsíða 6
chen hier bereits verteilt, es von oben bis unten verteilt, unter die I,eute
hier in der Gemeinde, und ihr habt es bereits so gut wie ausgewogen — so
wie es hier liegt. Wie ist es dann noch nötig, mit mir dariiber zu sprechen
— warum nicht gleich alles wegnehmen und es hinausschmeifien in Wetter
und Wind? Was denn sonst?“
Die Stimme des alten Mannes zitterte.
„Erst miissen wir natiirlich deine Zusage haben," antwortete Jón. „Wir
wollten doch — wir wollten nicht anders vorgehen, als dich um das Heu
bitten. Wir wollten dir kein Deid antun, sondem eine Ehre erweisen.
Es ist eine Ehre fiir dich, die ganze Gemeinde aus schwerster Gefahr zu
erretten."
„So ist dies alles nur mir zur Ehre getan" — sagte der Alte und stieB
ein gellendes Geláchter aus. „Ihr glaubt gewifi, ich sei bereits wieder zum
Kind geworden. O, nein, ein biBchen bei Verstand ist der alte Brandur noch.“
In Jón ballte sich etwas, als Brandur nur ein kaltes Eachen hatte fiir
die allgemeine Not. Eiir ihn war der Zustand, der in der Gemeinde herrschte,
nicht zum Eachen.
Mit wutverhaltener Stimme sagte er langsam:
„Du willst uns also das Heu vorenthalten — wiílst mir abschlagen, es
zu vollem Preise zu erstehen, wobei dir die ganze Zahlung vom Gemeinde-
rat verbiirgt wiirde. Bist du wirklich dazu entschlossen ? “
„Ja“, sagte Brandur. „Ich gebe diese Handvoll nicht her, solange ich
am Eeben bin. Selbst wenn ihr behauptet, ihr wolltet Biirgschaft leisten
und fiir die Bezahlung einstehen. Wer ist denn fáhig, fiir sie einzustehen,
wenn hier auf den Höfen nun doch alles umkommt? Dieses harte Wetter
kaim bis in die Ziehtage fortdauern und unter Umstánden lánger. Und
dann geht alles Vieh zugrunde. Nein, dieses Háuflein Heu reicht nicht
lange fiir so viele. Nein, das tut es nicht."
„Und was willst du denn mit dem Heu machen? Wenn alle umkommen
auBer Dir — was fiir eine Befriedigung findest du darin, es zu besitzen?
Welchen Nutzen hast du davon?“ fragte Jón.
„Das gehört nicht hierher", antwortete der Alte. „Die Versorgung der
andern ist nicht meine Sache. Sie selbst haben sich letzten Herbst versorgt,
nicht ich. Sie konnten Heu schaffen, so wie ich es getan habe, und noch
viel besser, denn sie haben doch ihre Augen zum Arbeiten, was ich nicht
mehr habe. — Das ist also ihre Sache. Ihre eigene Faulheit und Dumm-
heit kommt ihnen jetzt auf den Kopf. — Das ist ihre Sache! Ihnen kommt
es auf den Kopf.“
„Aber du nimmst diesen groBen Haufen Heu doch nicht mit in die Ewig-
keit“, sagte Jón. „Irgendwann einmal mufit du doch davon lassen. Und
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