Mitteilungen der Islandfreunde - 01.06.1932, Blaðsíða 38
IX. DEUTSCHLAND UND ISLAND IN DER
WIRTSCHAFTSKRISE
Die allgemeine Weltwirtscliaftskrise nnd die Auswirkungen des englischen Pfund'
sturzes auf die islandische Wahrung haben bedauerlicherweise auch ihre uö'
giinstigen Riickwirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und
Island ausgeiibt. Die islandische Handelsniederlassung in Hamburg, Samband 'Is'
lenskra Samvinnufjelaga, die seit 1927 besteht, wird aufgelöst und mit der islan-
dischen Handelsniederlassung in Kopenhagen zusammengelegt. Der Leiter der isliin-
dischen Handelsniederlassung, der sie seit ihrer Grundung bis heute und damit aucb
das deutsch-islándische Gescháft in rastloser Tátigkeit aufgebaut hat, Direktor Ob
Vilhjálmsson, scheidet aus Hamburg, das in ihm einen hochgeachteten Kaufmann
verliert, der wegen seiner Fáhigkeiten und lauteren Gesinnung, nicht zuletzt aucb
wegen seiner treuen Freundschaft zu Deutschland allseitig in der Handelswelt und
in der Gesellschaft Hamburgs beliebt war. Er scheidet in der Hoffnung, in besseren
Zeiten die Hamburger Islandische Handelsniederlassung vielleicht wieder neu er-
stehen zu lassen. Direktor Vilhjálmsson hat sich auch um die deutsch-islándischen
Beziehungen verdient gemacht und gehört zu den skandinavischen Persönlichkeiten.
die im Herbst 1930 gemeinsam mit deutschen Freunden die von Prof. Dr. Ludolpb
Brauer geleitete deutsch-nordische Gesellschaft grundeten, in der er seine Heimat
auch im Vorstand vertrat. Direktor Vilhjálmsson entstammt einem der áltesten
und angesehensten Bauerngeschlechter des nördlichen Islands, das seine Geschichte
bis auf die erste Besiedlung Islands durch die norwegischen Wikingerháuptlinge IO'
gólfur und Hjörleifur im jahre 874 verfolgen kann und in der Geschichte des Landes
keine unbedeutende Rolle gespielt hat. Aus der Þingeyjasýsla bei Húsavik gebílrtig, ge'
langte Direktor Vilhjálmsson auch in leitende kaufmánnische Stellung inseiner Heimat-
Besondere Aufgaben seines Landes riefen ihn nach Kopenhagen, und schlieBlich wurde
ihm die Griindung einer islándischen Handelsniederlassung in Hamburg anvertraut-
Der katastrophale Ruckgang von Ex- und Import zwischen Island und Deutschland
zwingt nun leider zur Zusammenlegung der Hamburger Handelsniederlassung mit
der in Kopenhagen.
Welche Bedeutung das Samband Islenskra Samvinnuf jelaga, ein staatlich konzessionieí'
ter und geförderter ZusammenschluB von 42 báuerlichen Ein- und Verkaufsgenosseb'
schaften hat.sieht man daran, daB jeder dritte Hausstand Islands, und zwar etwa 40% def
Gesamtbevölkerung Islands, dieser Gesellschaftangehört. Island deckte in steigendem
MaBe seinen Bedarf an Kolonialwaren und Industrieprodukten in Deutschland, islán-
dische Landesprodukte, Schafwolle, Schaffelle, Schaffleisch,Fischmehl, Heringsmehl
usw., erfreuten sich immer gröBerer Beliebtheit in Deutschland. Der Export Deutschlands
nach Island war bereits auf etwa 11 Millionen RM. gestiegen, der Islands nach Deutscb'
land auf etwa 8 Millionen RM., der Handel mit England war entsprechend zuriick'
gegangen. Hamburg wurde ein wichtiger Umschlageplatz Islands nach Sudamerika-
Die Wirtschaftsnöte des Jahres 1931 lieBen auch Island nicht unberuhrt. Die isláö-
dische Krone fiel im AnschluB an die Abwártsentwicklung des englischen Pfundes
um fast ein Drittel ihres Wertes. Zwei Drittel der islándischen Fleischproduktioo
von 1931 waren um die Jahreswende 1931/32 unverkauft. Der Preis fiir Schaffelle>
eines der wichtigsten Landesprodukte, sank pro Kilo von 2,25 auf 0,45 RM. Gewaltig®
Mengen Klippfische, Heringe und Fischmehl harren in den islándischen Háfen und
Handelsplátzen des Verkaufes. Die beginnende Arbeitslosigkeit vermag sich allef'
dings nicht so katastrophal wie in Deutschland auszuwirken, da ein groBer Teil def
Bevölkerung auf dem Lande wohnt.
Altona, Charles HunerberS
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