Mitteilungen der Islandfreunde - 01.06.1932, Blaðsíða 18

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.06.1932, Blaðsíða 18
isl&ndischen Dichter des 19. Jahrhunderts sind mit der Goetheschen Dichtung in enge Beriihrung gekommen; mit Ausnahme von Steingrímur, der 18 Gedichte tiber- setzte, haben die anderen Dichter jedoch nur dies und jenes Goethesche Gedicht gelegentlich íibersetzt. Man könnte daraus den SchluB ziehen, daB Goethes EinfluB auf die islandische Literatur nicht besonders groB gewesen sei, und das trifft auch zu. Nichtsdestoweniger war das Erscheinen von Svanhvít im Jahre 1877 ein wich- tiges Ereignis der isl&ndischen Literatur. In Svanhvít waren 'Obersetzungen einer ganzen Reihe ausl&ndischer Dichter (Schiller, Heine, Goethe, Gerok, Byron, Long- fellow, Burns, Shelley u. a.), und die Generation,die damals aufwuchs,bekam Svanhvít als Wegzehrung mit auf den Lebensweg. Viele dieser Gedichte lernte man auswendig und ohne Zweifel haben sie zu einem guten Teil mit dazu beigetragen, den literari- schen Geschmack zu veredeln, das Leben zu verschönen und die isl&ndische Dichtung in neue Bahnen zu lenken. Das Beste der islandischen Literatur f&llt immer wie ein Frtihlingsregen auf die isl&ndische Erde. Ihr entsprieBt mancherlei Gew&chs, wunder- same Wipfel, die ihr Gezweig und Laub iiber das isl&ndische Volksleben breiten. Der islándische Geist ist nordischer Art, hart und schwer, oft ztigellos, aber aus der Tiefe sch&umend, dem Eis wie dem Feuer verschwistert. Ihm fehlt oft empfindlich die Milde des sudlichen Geistes, dessen Gewandtheit und Beschwingtheit. Die zuktinf- tigen Geschlechter Islands werden in weit höherem Mafie als bisher von auslándischen Einflössen mitgeformt werden; da aber wird es gut sein, wenn nordischer und stid- licher Geist verschmelzen. Der groBe Dichter Goethe kann den Isl&ndern hier Vor- bild sein. Er besaB beides: die nordische H&rte und wogende Sehnsucht und die siid- liche Milde und Glut des Herzens, die mit gleichmáBiger Flamme bis in die letzte Stunde seines Lebens brannte. In ihm war beides vereint: das Nordische und das Siidliche, er schaute nach Norden wie nach Stiden. Und hier liegt vielleicht die Deu- tung ftir die iiberragende Höhe der deutschen Kunst und Wissenschaít: daB dieses Volk in der Mitte des Erdteils wohnt, auf der Grenze zweier Welten, auf der Grenze zwischen nordischer Tiefe und Kraft und siidlicher Glut. In dem Kiinstler Goethe aber offenbaren sich diese Merkmale der deutschen Volksseele in reicherem MaBe als bei irgendeinem anderen, der von einer deutschen Mutter geboren worden ist. Aus diesem Grunde gedenken heute alle germanischen Völker dieses groBen Menschen und Kilnstlers. V. STÁDTISCHE KULTUR IN ISLAND Der junge Nordist, der nach Island kommt, spiirt eine stádtische Kultur zuerst an der Sprache. Er bemerkt, daB der fill, fiir ihn eine alte Bekanntschaft aus den Rittergeschichten, heutzutage eine Zigarettenmarke ist, Egill Skallagrimsson begegnet ihm zuerst als Name einer Bierfirma, und seine eigenen, an Snorri und der Edda erworbenen Sprachkenntnisse wird er ftirs erste in Ballgespr&clien erproben miissen. Wenn er dann, sprachgewandt geworden nach einem Winter in Reykjavík, im Sommer aufs Land geht, muB er wieder umlernen; alte, in der Stadt l&ngst ver- gessene Bekannte aus seinen heimatlichen Seminaren werden dann wieder aus Bauern- munde vor ihm auftauchen. — Stadt und Land fallen schon sprachlich heute aus- einander, sie verkörpern eine noch nicht fertige Gegenwart und ein noch lebendiges Gestern. Schon zweimal in friiherer Zeit mag die islándische Kultur ein Doppelgesicht ge- zeigt haben: Als der Endreim eindrang und sich neben den heimischen Brauch stellte, und zur Zeit Hallgrims Pjeturssons, als festlándischer Barock auf die Dichtung Ein- fluB gewann. Auch heute wird die Zweiheit bedingt durch den EinfluB ausl&ndischer Kultur. Im Schrifttum l&Bt sich dieser EinfluB bis in die Zeit Bjarni Thorarensens (1786—1841) zuriickverfolgen: Einerseits eine Lyrik, zwar in den alten heimischen Formen vielfach, ihre Sprache, ihre Vorstellungen, ihr Ethos jedocli vom Klange 76

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