Milli mála - 01.01.2013, Blaðsíða 96
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terne, sich aus der Analyse des Aufbaus und der Argumentation des
Briefes ergebende. Diese sollen weiterhin in Bezug zu gattungsspe-
zifischen Merkmalen gesetzt werden.
In welcher Situation verfasste der junge Isländer den Brief?
Welcher bildungsbiografische Kontext lässt sich erkennen? Womit
setzte sich Tómas Sæmundsson zu dieser Zeit auseinander und wo-
ran orientierte er sich? Von welchen größeren Projekten war die
Arbeit an diesem Text eingerahmt?
In den Jahren 1827 bis 1832 hatte Tómas Sæmundsson sich
erfolgreich und relativ konzentriert seinem Studium in Kopenhagen
gewidmet. Nur einmal kam er in diesen Jahren nach Island, als er
1829 eine Sommerreise unternahm (Jón Helgason 1941: 54).
Gegen Ende seines Studiums plante er dann eine große Europareise
und erläuterte in einem Brief vom 23. April 1832 an seinen Vater,
dass eine Auslandsreise zum erfolgreichen Abschluss der akademi-
schen Bildung durchaus üblich sei und zur eigentlichen
Vervollkommnung dazu gehöre:
Menschen-, Völker- und Weltkenntnis, die so unbedingt notwendig ist,
um in so vielen Ämtern im Leben nützlich wirken zu können, ist das, was
mir insbesondere noch fehlt, einschließlich der weiteren Vervollkommnung
in den Sprachen der wichtigsten europäischen Nationen: der deutschen,
französischen, italienischen und englischen, damit ich vollen Nutzen aus
deren Büchern ziehen kann; doch hierzu ist das einzige hinreichende
Mittel, mich für ein oder zwei Jahre unter ihnen aufzuhalten.1
Pläne dieser Art mögen den Isländern der Zeit fremd und sicherlich
luxuriös vorgekommen sein, in der europäischen Bildungstradition
war dies jedoch keineswegs so. Vielmehr hatten sich im Laufe der
Jahrhunderte bestimmte Formen der Bildungsreise herausgebildet,
verändert und etabliert. Die von Tómas Sæmundsson in Angriff
genommene Reise entsprach zu weiten Teilen der Tradition der
1 TS 1907: 98–99. „Manna-, þjóða- og veraldarþekkingin, sem er svo aldeilis nauðsynleg, til að geta
verkað gagnlega í svo mörgum embættisstöðum í lífinu, er það, sem mig sér í lagi enn þá vantar,
ásamt stærri fullkomnun í málum þeirra helztu þjóða í Evrópu: Þýskra, Franskra, Ítalíenskra og
Engelskra, svo ég geti haft fult gagn af bókverkum þeirra, en til þess er það hið einasta tilhrökk-
vandi meðalið, að uppihalda sér 1 eða 2 ár á meðal þeirra.“ – Diese und alle nachfolgenden
Übersetzungen aus dem Isländischen ML.
„AUS EINEM BRIEF AUS ISLAND“