Milli mála - 01.01.2013, Side 114
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einen von vornherein zu diesem Zweck verfassten Text. Die Briefform
ermöglicht es, nicht nur den Verfasser, sondern auch die implizier-
ten Leser erkennbar zu machen. Im engeren Sinne sind das die
Freunde in Kopenhagen, im erweiterten Sinne ist es die isländische
Öffentlichkeit, an die Fjölnir sich wendet.
Was die sprachliche Gestaltung des Briefes angeht, so muss be-
dacht werden, dass sie letztlich nicht direkt aus der Feder von
Tómas Sæmundsson stammt. In Anbetracht seines langen Aus-
landsaufenthaltes und unter dem Eindruck der Sprachpolitik seiner
Fjölnir-Kollegen war er davon überzeugt, dass er sein Isländisch
stets korrigieren lassen müsse. In einem Brief vom 6. September
1835 an Jónas Hallgrímsson schreibt er:
Ansonsten habt Ihr großen Dank für die Behandlung meines Briefes ver-
dient; ich müsste blind sein, um nicht zu sehen, wie sehr er dazugewonnen
hat, denn zunächst habt Ihr ihm einen so schönen Stil verliehen, dass ich
mich dafür schäme, dass dieser mir zugeeignet wird, zumal ich nie fähig
sein werde, so gut zu schreiben, und außerdem habt Ihr einiges weggelas-
sen, was persönlich, grob und geschmacklos gewirkt haben könnte.13
Auch im Brieftext selbst erwähnt er die schlechte Sprache, die er
sich im Kreise der Isländer in Kopenhagen angewöhnt hat (93). Die
Arbeitsweise, nach der die Freunde vorgegangen sind, kann man
anhand der Anweisungen rekonstruieren, die Tómas Sæmundsson
im Brief vom 20. September 1834 gegeben hat:
[…] ich hoffe, dass Ihr, die Ihr doch an meine Hand gewöhnt seid, meine
Absicht im Großen und Ganzen erkennen könnt, und auf mehr kommt es
mir nicht an, denn zur Bearbeitung der Wörter nach Eurem Urteil gebe
ich Euch meine vollkommene Erlaubnis; es ist am ehesten die Reihenfolge,
[…] von der ich wünsche, dass sie unverändert bleibt […].14
13 TS 1907: 158. „Annars eigið þið miklar þakkir skilið fyrir meðferðina á bréfi mínu; ég mætti vera
blindur, ef ég ekki sæi, hvað mikið það hefir unnið, því fyrst er á honum svo fallegur stíll, sem ég
skammast mín fyrir, að mér sé eignaður, þareð ég verð aldrei fær um að skrifa hann svo góðan, og
líka hafið þið tekið burt ýmislegt, sem hefði kunnað að sýnast personligheder, − grovheder, −
smekkleysur.“
14 TS 1907: 129. „[…] ég vonast [til] að þið samt, sem vanir eruð hönd minni, ráðið í meininguna
víðast hvar, og meira kæri ég mig ekki um, því orðunum gef ég ykkur fullkomið leyfi til að
umbreyta eftir ykkar velþóknan; það er helzt niðurröðunin, […] sem ég óska [að] stæði óhögguð
[…].“
„AUS EINEM BRIEF AUS ISLAND“