Jökull - 01.12.1975, Síða 37
schervorfeld und ihrer lichenometríschen Ba-
tierung (Jaksch 1970).
Das durch den Gletscherriickzug freigewor-
dene Areal ist besonders in den Mulden der
Moránendecke gewöhnlich nach 10—15 Jahren
schon relativ dicht — vor allem mit Moospol-
stern — bewachsen. Voraussetzung ist freilich,
dafi dieses Gebiet nicht immer wieder iiber-
flutet und von Schmelzwasserablagerungen iiber-
deckt wird. Aus diesem Grunde eignet sich das
nur von einem kleineren AbfluB durchflossene
Vorfeld des östlichen Gletschers, welcher derzeit
nur noch als etwas vorgewölbter Eislappen von
der Hauptzunge abzweigt, fiir das Ermitteln
der Pflanzensukzession viel besser. Auf 20- bis
50-jáhrigem Substrat dieses Gletschervorfeldes
sind unter den háufigen und das Areal auch
stárker deckenden Pflanzen folgende Arten an-
zufiihren: Rhacomitrium lanuginosum, Tliymus
arcticus, Alchemilla alpina, Silene acaulis, Saxi-
fraga oppositifolia, Empetrum hermapliroditum,
Salix herbacea, Salix lanata, Cerastium alpinum,
Armeria vulgaris. Charakteristisch ist liier auch
das Vorkommen von Stereocaulon.
Auf rund 15 Jahre alten Moránen der öst-
lichen Gletscherzunge waren die ersten einige
Millimeter groBen Thalli von Rhizocarpon geo-
graphicum2) festzustellen. Endmoránen des
Gletscherstandes um 1945 zeigten Rliizocarpon-
Durchmesser bis zu 1 cm.3) Anstehendes Ge-
stein, das vor rund 40 Jahren durch den zu-
riickweichenden Gletscher aufgedeckt wurde,
bedeckt die gleiche Fleclitenart mit einem
Maximaldurchmesser von 2 cm. Die áuBersten
Endmoránen beider Gletscherzungen mit Rhizo-
carpon-Durchmesser bis zu 5 cm, welche die
Folge gestaffelter Moránenwálle abschlieBen,
gehen auf den GletschervorstoB um 1890 zu-
riick (Jaksch 1970). Wegen ihres reiclilicheren
Anteiles an Grobschutt eignen sich die Morá-
nen der östlichen Gletscherzunge zur licheno-
metrischen Datierung besser. Auf3erdem kann
2) Bei der hier zur Datierung herangezogenen Rhizo-
carpon-Art handelt es sich um Rh. geographicum s.str. Die
Bestimmung hat dankenswerter Weise Herr Prof. Dr. J.
PoeltyGraz vorgenommen.
3) Das Substratalter wurde auf Grund der Ergebnisse der
jáhrlichen Gletschermessungen bestimmt (Eythorsson 1963,
jáhrliche Berichte in der Zeitschrift ,,Jökull“). Zur Distanz-
kontrolle wurden das Luftbild der USAF von 1960 und der
von der Expedition der Universitát Durham aufgenommene
Gletscherstand von 1948 herangezogen.
híer das Flechtenwachstum auch auf anstehen-
dem Gestein, námlich auf den eisgeschliffenen
Felsen der Miindungsstufe des Distributártales,
beriicksichtigt werden.
Eine Bestátigung der im Vorfeld des Sól-
heimajökull gewonnenen Ergebnisse ergaben
Beobachtungen, die ich 1972 am Fláajökull
durchfiihrte. Von diesem Gletscher ist bekannt,
dafi er um 1890 seinen gröBten VorstoB in
historischer Zeit hatte (Todtmann 1960). Auf
den entsprechenden (áuBersten) Endmoránen
erreicht die erwáhnte Flechte ebenfalls einen
Durchmesser bis zu 5 cm.
Der Abstand der um 1890 abgesetzten End-
moráne von der Gletscherfront des Jahres 1930,
die J. Eydiorsson beobachtete, betrágt bei der
westlichen Zunge des Sólheimajökull ca 550 m,
bei der kleineren Ostzunge ca 300 m. Von 1930
bis 1970 waren laut Gletschermessungen die
beiden Zungen um 959 bzw. 829 m weiter zu-
riickgewichen. Der Vergleich des Gletscher-
standes in der Dánischen Generalstabskarte mit
der Darstellung von J. Eythorsson (1931, p. 33)
zeigt, daB die Westzunge 1930 nur um rund
100 m kiirzer als 1904 war.4) Diese Distanz ist,
verglichen mit den friiheren und spáteren
Riickzugsbetrágen, auffallend gering und láBt
auf eine Gletscherschwankung schlieBen. fn der
Zeit zwischen 1904 und 1930 (auf Grund des
Flechtenbewuclises nach 1920) muB die Zunge
nicht unerheblich vorgestoBen sein. Ein etwas
mehr als 100 m vor dem Gletscherstand von
1930 verlaufender, verháltnismáBig hoher End-
moránenwall, der zu den bestausgebildeten des
gesamten Vorfeldes záhlt, deutet darauf hin.
Die orographisch linke Begrenzung des Sól-
heimajökull und seines Vorfeldes bilden von
der Abzweigung cles Hólsárgil (bei Kote 409
der Karte 1 : 250 000) talauswárts die Hrossa-
tungur und ihre Fortsetzung bis an den Ge-
birgsrand. Auf dem mit steilen Flanken gegen
das Gletschertal abfallenden und oben haufig
plateauartig entwickelten Höhenzug haben sich
zahlreiche parallellaufende, kilometerlange
Ufermoránenwálle erhalten. Den áuBeren und
weiter talaus verlaufenden ist ein spátglazialer
Gletscher zuzuordnen, der ein Stiick iiber den
4) Fiir den Vergleich der beiden Gletscherstánde kann u.
a. der Abstand der Gletscherfront vom Ostende der mar-
kanten, Ost-West verlaufenden Votagjá (Skógafjall) herange-
zogen werden.
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