Jökull - 01.12.1975, Page 36
Das Gletschervorfeld des Sólheimajökull
KURT JAKSCH,
FIEBERBRUNNERSTRASSE 5A, A-Ó380,
ST. JOHANN IN TIROL, ÖSTERREICH
ZUSAMMENFASSUNG
Der Autor hat seine Beobachtungen im Glet-
schervorfeld des Sólheimajökull in den Som-
mern 1972 und 1973 fortgesetzt und zur Kon-
trolle auch einige andere islandische Gletscher
besucht. Besonders im Vorfeld des Fláajökull
konnten die Ergebnisse lichenometrischer Da-
tierung bestátigt werden. Auf den Moránen des
bedeutenden GletschervorstoRes um 1890 er-
reicht der maximale Durchmesser von Rhizo-
carpon geographicum ca 5 cm. Die Anwend-
barkeit lichenometrischer Datierung erscheint
jedoch begrenzt: Starke Frostverwitterung in
den ozeanisch-kúhlgemáfiigten Kustengebieten
und st.arke Solifluktion bei gescliiebearmen,
breiigen Moránen setzen dem Wachstum dieser
Krustenflechte eine Grenze bzw. verhindern es
úberhaupt. Das erklárt auch, weshalb auf den
spátglazialen Ufermoránen der Hrossatungur
(Randgebiet des Sólheimajökull) heine grölíeren
Rhizocarpon-Durchmesser als 7 cm vorkommen.
Der Sólheimajökull diirfte um 1890 seinen
gröf!)Sten Vorstofi in historischer Zeit gehabt
haben. Weiter talauswárts sind Endmoránen-
reste unbestimmten Alters erhalten geblieben.
ABSTRACT
The author continued his observalions in the
pro-glacial area of Sólheimajökull during the
summers of 1972 and 1973, lie also visited some
other Icelandic glaciers for comparison. Results
of lichenometric dating could be confirmed
especially in the pro-glacial area of Fláajökull.
On the moraines of the important glacier-ad-
vance of about 1890 the greatest diameter of
Rhizocarpon geographicum reaches 5 cm. The ap-
plication of lichenometric dating seems limited,
however. Strong weathering through frost in
coastal areas with a moderately cool oceanic
34 JÖKULL 25. ÁR
climate and strong solifluction at muddy mo-
raines with few boulders either limited the
growth of this crustose lichen or prevented it
completely. This explained that on the late
glacial moraines of Hrossatungur (lateral area
of Sólheimajökull) no greater diameter of Rhizo-
carpon is to be found than 7 cm. Sólheima-
jökull may have liad its greatest advance in
historical time about 1890. Rests of terminal
moraines of uncertain age have been preserved
farther downstream.
Seit 1930/31 werden am Sólheimajökull jahr-
liche Gletschermessungen durchgefiihrt (Ey-
thorsson 1963). Den Gletscherstand des Jahres
1930 zeigen Photographie und Skizze von /. Ey-
thorsson (1931, p. 32, 33). Die westliche Glet-
scherzunge (Hauptzunge) reichte damals nur
knapp iiber den Verlauf einer bald darauf ge-
bildeten deutlichen Endmoráne hinaus, die vom
Siidwest-Ende des Jökulhöfuð ausgeht und als
innerste (jiingste) die Serie gestaffelter, bogen-
förmiger Moránenwálle abschlieBt.1) Ostlich des
Jökulhöfuð erstreckte sich die kleinere (östliche)
Gletsclierzunge im Jahre 1930 bis zur Felsstufe
am Ausgang des Distributártales.
Vermessungen des Gletscherrandes erfolgten
durch die Expedition der Universitát Durham
im Jahre 1948 (Lister et al. 1953, mit Karte 1 :
20 000) und anláBlich der Aufnahme der Dá-
nischen Generalstabskarte, welche den Gletscher-
stand von 1904 im MaBstab 1 : 50 000 wieder-
gibt. Hinweise iiber die gröBte Ausdehnung des
Gletschers in liistorischer Zeit ergeben sich aus
der Lage der áuBersten Endmoránen im Glet-
1) In einigen Fállen hat J. Eythorsson die Entfernung
des Eisrandes von auf Moránenwállen errichteten Marken
angegeben.