Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1942, Page 94
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LE NORD
seiner Laufbahn unverdrossen geltend gemacht hat. Energisch
macht er Front gegen die Hypothesenmacherei und das meta-
physische Hypostasieren der Begriffe. In leichterem Zusammen-
hang kehrt diese Grundeinstellung in seiner schneidigen Kam-
pagne gegen Theologen und Dunkelmánner wieder. In der er-
wáhnten Dissertation zitiert er zustimmend Miinsterbergs Worte:
»Die Theorie soll gar nicht die Wahrheit entdecken, sondern sie
soll die erkannten Tatsachen in sich widerspruchslos kausal ver-
kniipfen«. In seiner Darlegung der Probleme des Gefiihlslebens
baut er auch keine Theorie auf, er sucht bloss das Yorkommen
der Gefiihlsphánomene in Zusammenhang zu bringen mit den
feststellbaren Hemmungen des motorischen und viszeralen kör-
perlichen Lebens bei Zögern oder Hindernissen im Entladungs-
verlauf. Er stellt sich so auf eine Grundlage, die auch heute noch
modern genannt wird. Das Gefiihl ist nur eine Episode auf dem
Wege, den iiberspannende Reizungen bis zur völligen Entladung
durch eine Handlung zuriicklegen. Die endgiiltigen motorischen
Reflexe der Handlung heben meistens die viszeralen Reflexe der
irradiierten Reizung und damit das Gefiihl auf. Die gefiihlsbe-
dingten Umstánde sind nur so lange vorhanden, als die Reak-
tionen der genannten Reizung noch nicht durch angepasste Be-
wegungen abgelöst worden sind. Das Gefiihl hángt demnach von
einem Obergangszustande, einer Desadaptation des nervösen
Mechanismus ab. Je lánger dieser Zustand mit seinen sowohl
viszeralen Reflexen als unzusammenhángenden und unbestimmt
gerichteten Bewegungen dauert, je lánger die Handlung aufge-
schoben wird, desto mehr Gelegenheit hat das Gefiihl in die Tiefe
und Breite zu gehen.
Wenn Lagerborg zu Beginn des Jahrhunderts eine Psycho-
logie »ohne Seele« trieb, war dies im damaligen Finnland eine
kiihne und herausfordernde Handlung. Die allgemeine Psycho-
logie stiess so leicht mit einer konventionellen und theologisch
beherrschten Denkweise zusammen. Lagerborg sprach offen, wenn
auch in elegant geformten Wendungen aus, was Physiologen und
Naturwissenschaftler unverbliimter zum Ausdruck bringen konn-
ten. In der ebengenannten Abhandlung sehen wir, wie sein Ge-
dankengang Form annimmt. Die Seele ist kein Grundvermögen,
das Bewusstsein produziert, mit Teilvermögen von Denken, Fiih-
len und Wollen. Die Seele ist nichts als die Bewusstseinsvorgánge,
als das Empfinden selbst; sie kann nicht unterschieden werden
von dem Gewebe kleinster Erscheinungen, die jedesmal, wenn