Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1942, Side 168
SNORRI STURLUSON
ZUR 700. WIEDERKEHR SEINES TODESTAGES
Yon Dag Strömbdck,
Direktor des Instituts fiir schwedische Mundartenforschung und Volkskunde, Uppsala.
IM Winter 1238—39, als die Beziehungen zwischen den bei-
den norwegischen Fíirsten König Hákon Hákonarson und
Herzog Skúli BárSarson besonders gespannt waren, weilte
Snorri beim Herzog in Nidaros. In Nidaros war viel Rede da-
von, dass gewisse norwegische Háuptlinge das Feuer der Zwie-
tracht zwischen König und Herzog nach besten Kráften schiir-
ten. Insbesondere ein eináugiger norwegischer Edelmann, namens
Gautr, trug eifrig dazu bei, diesen Zwist am Leben zu erhalten.
Eines Tages wandte sich Herzog Skúli an seinen islándischen
Freund und Gast Snorri Sturluson und fragte ihn: »Ist es wahr,
wie Ihr sagt, dass Óðinn, der vornehmste der alten Könige, mit
einem anderen Namen auch Gautr hiess?« »Es ist wahr,« ent-
gegnete Snorri. »So dichte eine Strophe dariiber,« sagte Skúli,
»und erzáhle uns davon, wie sehr der eine Gautr dem anderen
áhnelt.« Da dichtete Snorri stehenden Fusses ein Lied, in wel-
chem er einerseits an einem Beispiel zeigte, wie geschickt Óðmn
es verstanden habe, Streit zwischen den Máchtigen.zu entfachen,
und andererseits andeutete, wie der neue »Kampfschmied«, also
der Háuptling Gautr, schon allzu lange Streit zwischen dem Kö-
nig und dem Herzog verursacht habe. Die Ahnlichkeit zwischen
Óðinn-Gautr und dem Háuptling Gautr bestand also nicht nur
darin, dass sie beide eináugig waren, sondern auch darin, dass
beiden daran gelegen war, dass Zwietracht zwischen den Mách-
tigen herrschte.
Dieser Bericht aus der Saga von Hákon Hákonarson, die Snor-
ris Brudersohn Sturla ÞÓrðarson verfasst hat, ist darum bemer-
kenswert, weil es die einzige Stelle in der historischen Literatur
des 13. Jahrhunderts ist, aus der klar hervorgeht, dass Snorri
eine Autoritát auf dem Gebiete der Altertumskunde war, ein
Sachverstándiger, an den man sich wenden konnte, wenn man
uber die Götter und Sagenkönige des Nordens Aufschluss haben
wollte. Sonst ist es geradezu auffallend, wie wenig Snorris In-
teressen fúr das Altertum in der historischen Literatur seiner
Zeit zum Yorschein kommen. Aus historischen Quellenschriften
wie der Sturlunga Saga, den Bischofssagen und der Saga von