Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1942, Page 195
REISEVERKEHR IN FINNLAND
183
Traumbilder vorgaukelte und der ritterlichen Abenteuerlust un-
geahnt hohe Ziele steckte, und all dies begleitet vom Segen der
Kirche«! Diese von Axel Olrik1) gegebene Charakteristik gibt
unzweifelhaft den richtigen Wallfahrtsgeist wieder. Dies war
etwas, was die Pilger unantastbar, um nicht zu sagen sakrosankt
machte. Und das religiöse Reisen wurde zu einer wirklichen In-
stitution. An den Raststellen wurden grosse Herbergen gebaut,
Reisehandbiicher uber die Sehenswiirdigkeiten des Ortes wurden
verfasst. In Venedig wurden die Pilger vom Dogen in seinem
Palast feierlich empfangen. Das grosse Ziel wirkte lockend und
anziehend, ohne jedoch zu verhindern, dass man auch die Freude
an der Reise selbst und an der Rast zu schatzen wusste. Der álte-
sten Strasse des Nordens folgend, die noch heute als eine Puls-
ader durch Jiitland zieht, strebten die nordischen Pilger dem
Heiligen Lande zu. Gegen Mitte des 11. Jahrhunderts veröffent-
lichte der islándische Abt Nicolaus einen Wegweiser, ein Reise-
handbuch mit genauen Angaben iiber diese Strasse. Auf nor-
dische Menschen miissen solche Státten wie der Dom zu Viborg
oder das Schloss Aalborghus unterwegs als Offenbarungen ge-
wirkt haben.
Es gab daher auf den Reisen im Mittelalter sozusagen be-
sondere Touristenpunkte sowohl weltlichen als geistlichen Cha-
rakters, heilige Státten und Plátze mit schönen Ausblicken. Laut
Prof. Yrjö Hirn2) diirfte sich in vielen Fállen beweisen lassen,
dass gerade solche Aussichtspunkte und Berggipfel Státten der
Heiligtiimer gewesen sind, die von frommen Reisenden verehrt
wurden, noch bevor die Touristen sie entdeckt hatten. Die Na-
turverehrung diirfte daher mit den mythologischen Kulten ver-
wandt und die Wallfahrten nach schönen Landschaften nach dem
Vorbilde religiöser Pilgerfahrten gestaltet sein. Wie seinerzeit die
Pilger, so begaben sich spáterhin auch die Touristen nach schö-
nen Orten.
Auch die modernen Seereisen haben ihre Vorláufer in friihe-
ren Zeiten. Der Zauber der See scheint oft, wie Hirn hervor-
gehoben hat, stárker gewesen zu sein als die Anziehungskraft
der Strassen und des Landes.3) Diese Sehnsucht nach dem Meer
J) Axel Olrik, »Riddarvásen och korstagskultur« (Ritterwesen und
Kreuzzugskultur) in Várldskulturen IV. S. 51.
2) Yrjö Hirn, Eremiter och Pilgrimer (Eremiten und Pilger) S. 13.
3) Hirn, Ön i várldshavet (Die Insel im Weltmeer), Kap. I.