Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1942, Síða 303
DIE DANISCHE HÖHERE SCHULE
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ist man dariiber einig, dass es eine Hauptaufgabe der dánischen
Schule ist, nach allen Kráften zur Behauptung der nationalen
Selbstándigkeit Dánemarks und zur Erhaltung der von den Vá-
tern ererbten Nationalwerte beizutragen und besonders den Ge-
schichts- und Religionsunterricht sowie den Unterricht in dáni-
scher Sprache und Literatur in diesem Sinne zu prágen. Einen
wertvollen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung lieferte der da-
malige Unterrichtsinspektor und jetzige Unterrichtsminister Dr.
Hojberg Christensen in seiner in deutscher Sprache abgefassten
und besonders auf deutsche Leser berechneten Schrift »Unterricht
und Erziehung in Dánemark«. Der Verfasser vertritt hier den
in Grundtvigs Vaterland naturlichen Gesichtspunkt, dass die Er-
ziehung mit dem Unterricht folgt. Das erzieherische Ziel wird
durch die Mittel der Erkenntnis erstrebt; der Erziehungsbegriff
liegt sozusagen in dem Unterrichtsbegriff verkapselt, im Gegen-
satz zu Deutschland, wo die nationalsozialistische Schulordnung
bekanntlich die Erziehung des Körpers, des Charakters und des
Geistes in den Vordergrund stellt, wáhrend der Unterricht ein
Mittel zur Erlangung dieses Ziels wird. Letzten Endes wird der
Schulgang somit ein Glied in der Erziehung zur nationalsoziali-
stischen Weltanschauung. Es ist bezeichnend, dass man in
Deutschland von einem »Reichserziehungsminister«, in Dáne-
mark aber von einem »Undervisningsminister« (Minister fiir den
Unterricht) spricht.
Es wird der Zukunft vorbehalten sein zu zeigen, wie die
dánische Schule, besonders die höhere Schule, sich zu solchen
Problemen stellen wird. Wáhrend sie sich einerseits in diesen
schweren Zeiten ihrer nationalen Verantwortung bewusst ge-
worden ist, ist es andererseits sicher, dass es ihrem innersten We-
sen widerspricht, sich von vornherein einem bestimmten System
zu unterwerfen. Grundtvig hat nicht umsonst in Dánemark ge-
lebt. Die dánische Schule muss auf ihren gesunden kritischen
Grundsátzen bestehen, die keineswegs notwendigerweise zu un-
fruchtbarem Skeptizismus fiihren; sie muss auf dem Prinzip der
Toleranz bestehen, die durchaus nicht Schlaffheit im Gefolge zu
haben braucht; sie muss auf der Freiheit bestehen, die etwas ganz
anderes ist als Ziigellosigkeit.
Eine Schule, die eine so riihmliche Tradition hat wie die dá-
nische, die in so hohem Grade Grundtvig als Voraussetzung hat,
kann nicht an ihrer Seele Schaden nehmen, weil das Land
schwere Zeiten durchlebt. Im Gegenteil — diese werden nur dazu