Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 10
fer gibt, beginnt eine Scheidung zwischen Bauer und Seemann. Seitdem sam-
melt sich in den Hafenorten der groBe BevölkerimgsuberschuB des armeren
Bauerntums und beschrankt sich nun ganz auf das Fischer- und Seemannsge-
werbe. Erst dies ist eine seemannische Bevölkerimg in unserem Sinne, und sie ist
auch gesellschafthch schon eine eigene Klasse geworden. Gleichzeitig haben sich
die Bauern des inneren Landes vom Fischfang auf der See zuruckgezogen, weil
durch die Abwanderung an die Kúste, eine Landflucht áhnlich der unseren, ein
empfindlicher Arbeitermangel entstanden ist, sowie auch weil sie auf ihren Boo-
ten der Konkurrenz der Dampfer, die mit modernen GroBfanggeráten fischen,
nicht gewachsen sind. Es lohnt sich ftir sie nicht mehr.
Diese junge Entwicklung hat jedoch das alte Bauerntum der Kústen, Förden
und Inseln nicht ergriffen. Dort ist auBerhalb der kleinen verstreuten Hafen- und
Handelsplátze jeder noch zugleich Bauer und Seemann, wenn sich auch Yieh-
zucht und Fischerei im Erwerbsleben vielleicht nur ziemlich weniger einiger-
maBen die Waage halten. Der Fischfang kann gelegentlich so weit zurúcktreten,
daB er nur dazu dient, den Bedarf der eigenen Ktiche zu decken. Dieser ist nun
allerdings ftir unsere Vorstellungen gewaltig groB, denn der Fisch ist hier fast tág-
liches Nahrungsmittel, aber die islándische See ist weithin so fischreich, daB man
von einer Fangfahrt auf einem Ruderboot oder kleinen Motorboot leicht ein paar
Zentner Fische zurúckbringt. Auf der andern Seite gibt es in Gegenden sehr ge-
birgiger Ktisten ohne Unterland manche Höfe, auf denen selbst die sonst tiberall
gehaltenen Milchktihe fehlen und die Landwirtschaft sich auf das Halten von
einem Dutzend Schafen beschrankt, die dem Haushalt Wolle und Fleisch und in
den Sommermonaten auch Milch liefern. Diese islándischen Gebirgsktisten, im
Osten und ganz besonders im Nordwesten des Landes, sind wie die meisten ge-
birgigen Ktisten sehr reich an Halbinseln, Vorgebirgen und tiefen Buchten, aber
arm an ebenem Unterland. Darum ist hier der Verkehr zu Lande oft schwierig
und das Meer auch die HauptverkehrsstraBe, stellenweise in manchen Jahreszei-
ten sogar die einzige, sodaB auf vielen Höfen auch die Pferde fehlen, die in Island
sonst als Reit- und Tragtiere kaum zu entbehren sind. Diese Ktisten haben die
besten Háfen und den meisten Fisch und sind darum ftir Seefahrt und Fischfang
besonders gtinstig. Áhnlich wie an ihnen sind die wirtschaftlichen Bedingungen
auch auf den kleinen Inseln und Inselgruppen vor der Ktiste und in einigen gro-
Ben Buchten des Landes, denen das Wasser sogar die einzige StraBe ist. Aber auch
auf ihnen fehlt die Landwirtschaft nie ganz, und ihre Bewohner gehören gesell-
schaftlich und kulturell zum Bauerntum und nicht zur Seemannsbevölkerung der
Hafenorte. Auch sie sind nach islándischem Sprachgebrauch Bauern. Wo aber die
Ktiste flaches Hinterland hat, ist sie selten stark gegliedert und darum meist viel
ármer an guten Háfen, vor allem im Verháltnis zur Besiedlung, die hier meist er-
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