Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 47
Der Vatnajökullausbrucli 1934 und seine Erforscliung
Von HelmutVerleger
Vorlaufiger Bericlit auf Grund der islándischen Zeitungsberichte
Kurz nach Ostern traf die erste Nachrickt eines gewaltigen Vulkanausbruchs
inmitten des Vatnajökull ein. Tagelang brachten die Zeitungen ausfiihrliche Be-
richte von der sich immer steigernden, grandiosen Ausbruchstátigkeit dieses ein-
zig dastehenden Untereisvulkans.
Das im Sudosten Islands gelegene 8200 qkm umfassende Eisgebiet ist mit sei-
ner fácherförmigen Nordrandgestaltung nicht nur fiir die Erkenntnis der diluvia-
len Flachlandvereisung wichtig, sondern vor allem auch wegen seines z. T. jung-
vulkanischen Untergrundes bedeutsam. In seinem Randgebirge sind bis jetzt eine
Reihe von teils erloschenen, teils in den letzten Ausbruchsphasen befindlichen
Kratern und Vulkanen bekannt, wáhrend im Innern der Eiswiiste sich von Zeit
zu Zeit untereisische Ausbrúche ereignen. Feuer und Eis ringen dann als tod-
bringende Kráfte auf gleichem Raum.
Im Norden des Skeidarárjökull sprengte der Vulkan die Eisdecke unter fast in
ganz Island wahrnehmbaren Detonationen, Blitzen und Bebenerschútterungen.
Aus dem groBen Gletscherstrom Skeidarárjökull, dessen Stirn eine Breite von
29 km hat, brachen riesige Wasser-, Eis- und Schlammassen hervor, die den vor-
gelagerten Sand in 10 km Breite tiberschwemmten, an 200 Telegraphenstangen
mit sich rissen und jegliche Verbindung mit dem östlich gelegenen Landstrich ab-
schnitten. Die Flússe des Gletschers fúhrten z. T. kochendheifies Wasser mit sich.
Die losgerissenen Eisblöcke in Höhe von 15 m und Umfang von 60 m wurden ki-
lometerweit und dichtgesát úber den Sander verfrachtet und liefien ihn als Eis-
meer erscheinen. Menschenleben sind glúcklicherweise verschont geblieben, da
der Súdrand des Vatnajökull nur spárlich besiedelt und der Nordrand tiberhaupt
unbewohnt ist. Die aus der Eismitte emporsteigende Feuer- und Rauchsáule, de-
ren Höhe die Stratospháre erreichte, war selbst von der 250 km entfernten Haupt-
stadt Reykjavík zu sehen. Vom Winde verfrachteter Aschenregen ging im ganzen
östhchen und nordöstlichen Teil Islands nieder.
Dies ganz seltene Naturereignis eines imtereisischen Vulkanausbruchs ist bis-
her niemals wáhrend der Tátigkeit wissenschaftlich untersucht worden. So ent-
schlofi sich bald nach dem Bekanntwerden des Ausbruchs dieKgl. dán. Geograph.
Gesellschaft gemeinsam mit dem Carlsberg Fond angesichts der Bedeutung fúr
die Erkenntnisse der Glaziovulkanologie eine mit grofien Mitteln ausgeriistete
Forschungsexpedition zum Aufsuchen des Kraters in die Eiswúste des Vatna-
jökull zu entsenden. Glúcklicherweise sind die, auch in der deutschen Presse wei-
tergegebenen, schlimmsten Befiirchtungen úber das Schicksal dieser unter Fúh-
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