Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 55
tief drin in unserer alten organischen Kultur, mit den alten heiligen Bindungen
und Werten, wozu die anderen noch keinen Zugang finden können. Das ist unser
Vorsprung.
Diese alte organische Kultur, die nur aus deutschem Ursprung wieder aufstei-
gen kann, und die in einer Art zweiten Krieg die mechanisierte Welt des west-
lichen Geprages iiberwinden soll, hangt zu einem Teil von unserm alten deutschen
Schrifttum ab und von seiner Wiederbelebung in der deutschen Nation. Wo kann
der Buchhandler es am besten finden und in welchen Biichern iibermittelt er es
dem deutschen Volk als seinem Lesepublikum am besten ? Ja, hiervon sprechen,
heifit im wesentlichen von Eugen Diederichs sprechen, heifit ihm und dem von
ihm gefiihrten Verlag ein ewiges Denkmal setzen und ihn eine Art Wegebereiter
des neuen Beiches nennen. Ich hatte das groBe Gliick, mit ihm iiber zwölf Jahre
befreundet zu sein. Ich weiB genau, wie dieser königliche Kaufmann, dieser König
unter den deutschen Verlegern, und das habe ich auch an seiner Totenbahre ge-
sagt, daran gearbeitet hat, dem deutschen Volke seine alten Schatze wieder zu-
zufiihren. Als er starb, war es, wie wenn der heimliche König unseres Landes ge-
storben ware. War es denn nicht ein königlich Werk, das er in drei Jahrzehnten
aus dem Nichts heraufgefiihrt hat ? War es denn nicht ein walirhaft königlicher
Hort von Marchen, Mythen und Sagen, von Liedern und Ideen, Sehnsiichten und
Idealen, war es denn nicht unseres Volkes wirklicher geistiger Nibelungenhort,
iiber den er gebot und iiber den er verfiigte, und den er mit königlicher Milde
unter uns verteilte ?
Da ist die groBe landschaftliche deutsche Sagensammlung, Zaunert und Leyen,
die groBe Márchensammlung mit allen Márchen deutscher und germanischer
Zunge, in iiber dreiBig Bánden, da ist die Sammlung Deutsche Volkheit in 80
Bándchen mit dem Allerbesten und Reichsten, was wir haben aus deutscher Ver-
gangenheit und germanischer Vorzeit. Und da ist die groBe schöne Sammlung
Thule mit dem ganzen echten altgermanischen Schrifttum in 25 Bánden, so groB
und herrlich wie schwer und gefahrvoll fiir den Verlag. Ich schrieb schon vor vie-
len Jahren, Mussolini wiirde einen solchen Verleger zum Vater des Vaterlandes
krönen.
In ganz alter germanischer Zeit gab es uberhaupt kein Schrifttum. Die ger-
manische Kultur war keine literarische Kultur. Das war gerade ihr besonderer
Vorzug. Heldendichtung, Götterdichtung und die groBen Familienerzáhlungen,
die wir und die sich selbst Sage nennen, waren keine Literatur und waren fiir die
Schrift gar nicht bestimmt. Die echten Germanen hatten kein Schrifttum. Im
Grunde verachten wir es auch heute noch. Sehr groBe Deutsche haben immer das
Schreiben ein wenig verachtet wie Wolfram, Schiller. Es steckt noch in uns. Die
Deutschen haben zwar ein ungeheures Schrifttum spáter entwickelt, aber ein ge-
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