Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 14
sie einst gewachsen, und es wirkte hier, so wie es Jahrtausende gewirkt hat. Und
das islándische Bauernvolk, das sich die Vertrautheit mit dem Meere erhalten hat
und den schweren dauernden Kampf mit ihm bis heute weiterfuhrt, ob nun ge-
zwungen oder nicht, hat sich auch viel von diesen alten schönen Eigenschaften
bewahrt, viel mehr, als man nach der traurigen Geschichte des Volkes wáhrend
eines halben Jahrtausends erwarten sollte. Auch aus diesem Grunde ist Island
fiir uns gut germanischer Boden.
Islándische Bauernköpfe
von Wolfgang Mohr
Der islándische Maler Kjarval hat eine Reihe von Radierungen und Zeichnun-
gen geschaffen, die mehr noch als seine Gemálde islándischer Berge und Fliisse
einen Blick in die Seele seiner Heimat tun lassen. Es sind Bildnisse von Bauern,
mit zerfurchtem Linienspiel iiher der Landschaft der Stirn, mit verkniffenen
Augen, die gegen einen Schneesturm anzublinzeln scheinen, und festem Munde,
der nur hartgeprágte Worte, nicht die Scheidemiinze diirftiger Redensarten her-
vorláBt. Solche Gesichter werden dem vertraut, der einige Zeit unter islándischen
Bauern gelebt hat. Auch in der Hauptstadt erkennt er sie wieder, wenn schon
seltener, denn auch hier im Norden vollzieht sich die Einebnung von Gesichtern
und Charakteren zu einem europáischen Standard-Typ. Ich will versuchen, mir
ein paar islándische Köpfe wieder ins Gedáchtnis zu rufen; doch einbeziehen mufi
ich in mein Erinnerungsbild den Hintergrund fiir diese Gesichter, die islándische
Landschaft, auf die der Maler Kjarval verzichten konnte, denn jeder seiner Lands-
leute ergánzt sich ja leicht bei der Betrachtung der Bilder die Umwelt aus seiner
eigenen Vorstellung.
Wer die Insel zu FuB durchwandert, ist in ihrem siidlichen Teil mehr als an-
derswo auf die Hilfsbereitschaft der Bewohner angewiesen; denn hier flieBen die
groBen Gletscherfliisse mit ihrem eisigen Wasser weitverzweigt zum schwarzen
Sande der Kiiste hinab, und man braucht stámmige Pferde, um hindurchzukom-
men. Meist láBt man sich von dem Hofe, auf dem man gerade iibernachtet hat,
halbwegs zum náchsten bringen, dessen Bauer, durch Fernruf verstándigt, mit
Pferden entgegenreitet. So ritten wir zwei deutschen Studenten zur Zeit der Heu-
ernte mit dem jungen Bauern von den „Vogelbeerwiesen“ gen Westen, bis an die
Stelle, wo der Reitweg an den Gletscher heranfiihrt, um auf dem zerkliifteten
Eise einen wasserreichen und bösartigen FluB zu umgehen. Dort kam uns der
Bauer des náchsten Hofes entgegen. Sein Gesicht war bis auf die breite Nase
unter dem rötlichblonden Barte verborgen, denn in die Stirn hatte er seine braune
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