Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 46
Es ging immer schneller. Dann kam ich aus dem Zahlen und gab es auf. Der Wind
stand nicht ganz in Eahrtrichtung und wollte unseren Kurs immer etwas nach
Norden ahdrangen. Zweimal sauste der Schlitten mit seiner ganzen Ladung um.
Wir muBten das Segel etwas reffen. Der Wind nahm dauernd an Starke zu. So
jagten wir dahin iiber die flache Firnwiiste ohne MaBstab der Geschwindigkeit.
Vier Stunden lang. Jetzt fiel leichter Schnee. Wir wurden weiB. Der Wind ward
zmn Sturm. Und im Nu waren wir im dicksten Schneesturm. Jetzt aber sofort
lagern! Der Schlitten quer zur Windrichtung und langs dazu in seinem Schutze
das Zelt. Der Zeltaufbau ging jetzt gewöhnlich in 7 Minuten. Wáhrend Keil den
Schlitten, die Skier usw. sturmfest machte, bereitete ich die Lagerstátte. Brot,
Fleisch, Hartfisch, Butter und Pflaumen kamen mit ins Zelt. Dann wurde ge-
meinsam in aller Eile hufeisenförmig um Schlitten und Zelt eine gleichhoheMauer
aus groBen Firnplatten errichtet. Eine knappe Stunde spáter, um 8 Uhr, lagen
wir bereits im schiitzenden Zelt. Unsere durchnáBten, dicken Joppen hatten zwar
drauBen auf dem Schlitten unter dem Segel bleiben miissen. Wir waren so dem
Eisboden zwar betráchtlich náher, aber wohlgeborgen. Mochte es nun fiirs erste
schneien und stiirmen! Der Zeltboden wies 1 Grad Kálte auf. Wie weit wir bei
unserer Jagd vorwártsgekommen waren, lieB sich schwer sagen. Bei 4 Stunden-
kilometern hátten es 16 km sein können. Aber eins war uns inzwischen zur Ge-
wiBheit geworden. Die Isohypsen der Schwedenkarte von Hakon Wadell (1920)
stimmten zu mindestens fiir den östlichen Teil des Vatnajökull nicht. Nach ihr
muBten wir uns hier auf ungefáhr 1600 m Höhe befinden, wáhrend wir naeh un-
seren Barometermessungen bei dem Marsche auf dem Plateau bisher nur wenig
iiber 1100 m als Maximum hatten feststellen können. Abends lieB der Sturm et-
was nach, setzte aber nach Mitternacht stark böig wieder ein. Der Schneefall
hatte aufgehört, aber dafiir ein heftiges Schneetreiben auf der Oberfláche einge-
setzt. Am Nachmittag des 23. krochen wir aus unserem Zelt hervor. Das Wetter
hatte sich beruhigt und aufgeklárt. Die Lufttemperatur war wenig unter Null.
Der Schneefestverharscht. Ein gutesMarschwetter. ZumerstenMalewarderBlick
nach Osten ganz frei. Wir konnten erkennen, daB unser alter Eisriicken sich weit
nach Norden erstreckte. Zu unserer Freude stellten wir fest, daB etwas nördlich des
Godahnúkur der Godaborg-Nunatak, der von Siidosten als gewaltiger vierkantiger
Felsenklotz aus dem Eise hervorragte, auch nach Westen hin die gleiche charak-
teristische Form aufweist, die uns auf dem Rúckmarsche bei sichtigem Wetter ein
unfehlbarer Richtungsweiser sein wiirde. Mit dieser „Götterburg“ hat es seine be-
sondere Bewandtnis. Dorthin sollen sich, als das Christentum nach Island kam, die
alten nordischen Götter zuriickgezogen haben. In unserer alten Marschrichtung
waren am Horizont, wenn auch noch klein, die Kverkfjöll sichtbar geworden. Und
im Norden die Berge des Innern, am gröBten das Snaefell. (Fortsetzung folgt)
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