Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 53
Die islandische Regierung setzt sicli zusammen aus drei Ministern, dem Mini-
sterprasidenten Asgeir Asgeirsson, der zugleich Finanzminister ist, dem Ju-
stizminister Magnús Gudmundsson, der auch das Wirtschaftsministerium
verwaltet, und dem Minister fiir kirchliche Angelegenheitenþorsteinn Briem,
dem auBerdem das Unterrichtswesen untersteht. Diese Regierung wurde gebildet
im Jahre 1932, und zwar durch einen KompromiB zwischen der Fortschrittspartei
und der Selbstándigkeitspartei. Die Aufgabe dieser Regierung bestand vor allem
darin, die Wahlreform, die stándig dringender geworden war, vorzubereiten. Im
Parlament stiefi diese Regierung zunáchst auf keine nennenswerte Oppositioii,
weil die beiden gröBten Parteien in ihr vertreten waren. Das Parlament oder
Alþing bestand nach der alten Regelung aus 42 Abgeordneten. Davon saBen
14 im „Oberhaus“ und 28 im ,,Unterhaus“. Alle Gesetzesvorschláge muBten von
beiden Háusern behandelt und in derselben Form angenommen werden; kam das
nicht zustande, wurde das gesamte Alþing zusammengerufen und dort die Ent-
scheidung durch 2/s Mehrheit herbeigefúhrt. Von den 14 Abgeordneten des Ober-
hauses wurden 6 vom ganzen Lande nach dem Verháltnis-Wahlsystem gewáhlt,
die úbrigen wurden vom Parlament aus den 36 Vertretern der einzelnen Wahl-
kreise gewáhlt. Von diesen Kreisen wurden in einem (Reykjavik) 4 Abgeordnete
gewáhlt, in 6 Kreisen je 2, und die tibrigen 20 Kreise wáhlten je 1 Abgeordneten.
Diese Ordnung stammt in ihrer ursprúnglichen Form aus dem vorigen Jahr-
hundert imd war nur wenig geándert worden. Inzwischen war ein erheblicher Teil
der Bevölkerung vom Lande in die Stádte abgewandert, wodurch ein merkliches
MiBverháltnis entstand zwischen der zurúckgebliebenen Einwohnerzahl der lánd-
lichenBezirke und ihrem alten EinfluB. Diesen MiBstand zu beseitigen, war eine
der ersten Aufgaben der Regierimg, und so wurde denn gleich im náchsten Parla-
ment eine Wahlreform vorgelegt, die auch mit einigen Abánderungen angenom-
men wurde. Damit war die Sache jedoch noch nicht erledigt. Nach islándischem
Gesetz mtissen fúr eine Anderung der Staatsverfassung neue Wahlen ausgeschrie-
ben und muB ein neues Parlament gewáhlt werden, das erst den Gesetzesvorschlag
annehmen kann. Dies geschah im Herbst 1933.
Bei diesen Wahlen ánderten sich die Kráfteverháltnisse so, daB die Selbstán-
digkeitspartei die Anzahl ihrer Sitze von 15 auf 20 vermehrte, wáhrend die Fort-
schrittspartei von ihren 23 Sitzen 6 abgeben muBte, auBer den 5 an die Selb-
stándigkeitspartei noch einen an die Sozialdemokraten, die dadurch auf 5 Sitze
kamen. Kurz nach den Wahlen wurde dann die Bauernpartei gebildet, die der
Fortschrittspartei dadurch 4 Sitze wegnahm. Die Regierung hatte jetzt keine
Stútze mehr im Alþing, weil die Selbstándigkeitspartei gröBeren EinfluB in der
Regierung beanspruchte und die Minister der Fortschrittspartei zum Teil aus die-
ser austraten, zum Teil eine abwartende Stellung einnahmen. Das hatte zur Folge,
4*
51