Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 56

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wisser Widerwille ist doch geblieben. Wir schreiben nicht so leicht und gern und fliissig wie die romanischen Yölker. Es fállt uns schwer. Wir sind ein Bauern- und Kriegervolk. Das alte Germanien schrieb nicht. Sie miissen nicht glauben, dafi die Bunen etwa zur Niederschrift von Dichtung und Erzáhlung benutzt worden seien. Die Runen dienten lediglich zu einer Aufschrift auf diesem oder jenem Gegenstand. Sie spielten uberhaupt keine so grofie Rolle im germanischen Leben, wie man das heute so gern behauptet. Es gab keine Runenmysterien, sie sind auch verháltnis- mafiig jimg und stammen von den antiken Alphabeten ab. Es kann gar keine Rede davon sein, dafi sie etwa bis in die Bronzezeit oder gar in die Steinzeit zu- rúckreichen. Dafi es nun doch schliefilich ein altgermanisches Schrifttum gibt, das heifit, dafi jene nur fúr múndliche Uberlieferung bestimmten Heldenlieder, Götterlieder, Weisheitssprúche und Familien- und Königserzáhlungen dennoch einmal aufge- schrieben wurden, verdanken wir einzig und allein dem Umstand, dafi die neue Schreibkulturwelle im áufiersten Norden Germaniens, also auf Island, gerade noch zurecht kam, gerade noch einholen konnte den altgermanischen Zustand úberhaupt. Hier fielen die Zustánde einmal ausnahmsweise zusammen, hier úber- holten und úberschnitten sie sich. So allein kommt es, dafi zwar durch die neue Welle der schriftlose Kultm-charakter Germaniens selbst ausstarb, dafi aber gleichzeitig die sonst ewig verlorenen Schátze gerettet wurden. Dies ist die Edda, mit ihren Heldenliedern, Götterliedern und Weisheitssprú- chen, dies ist die islándische Familiengeschichte, die Islándersage, dies sind die norwegischen Königsgeschichten, die Konungasögur. Wir wissen genau, dafi der ganze Kulturzustand, wie er erhalten und beschrieben ist, von uns auch fúr die Súdgermanen, das heifit fúr unsere eigenen Vorfahren in Rechnung gesetzt wer- den kann. Wir wissen genau, dafi ein grofier Teil dieser Eddalieder wörtlich so auch bei den Súdgermanen bekannt geworden ist. Karls Sammlung. Wenn der deutsche Leser Sie nun nach diesem Schrifttum fragt, so weifi der deutsche Buchhándler, dafi es in bester fachmánnischer deutscher Úbersetzung vom Verlage Diederichs in den 25 Bánden der Sammlung Thule niedergelegt wor- den ist. Aber der deutsche Buchhándler weifi leider auch, dafi sich das deutsche Publikum die nunmehr 20 Jahre, seitdem die Sammlung Thule zu erscheinen be- gann, verflucht wenig um dies germanische Schrifttum bekúmmert hat. Das deutsche Publikum geht an den wahren und echten Quellen vorúber. Es war ein grofies Verdienst der deutschen Germanisten, durch beste Úbersetzungen den Diederichsverlag unterstútzt zu haben. Das deutsche Volk hat nicht zugegriffen, es ist dem Wegebereiter Diederichs auf seinem grofien und schönen Wege nicht gefolgt. Es ist auch den deutschen Gelehrten nicht gefolgt. 54
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