Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Blaðsíða 27
IugólfsliöMi
von E. M. Todtmann
Yoin Fufi des Öraefa- Jökull, des höchsten Berges von Island, breitet sich gegen
Siiden zum Meere hin eine flache, monotone Sanderebene aus, die von den zahl-
losen Armen der Skeidará und ihrer Nebenfliisse fast vollkommen mit Wasser be-
deckt ist. An der Grenze zwischen Meer und Land erhebt sich ein flacher, lang-
gestreckter, grauer Rúcken — Ingólfshöfdi. Dorthin wollen wir — mein islándi-
scher Dolmetscher, Gardar þorsteinsson und ich — mit Helgi Arason aus Fagur-
hólsmýri reiten.
Basch tragen uns die guten, schnellen Pferde durch die Wiesen von Fagur-
hólsmýri den Steilhang hinunter auf das flache, sumpfige Weideland. Ein Mutter-
schaf mit seinem Jungen nimmt schleunigst ReiBaus vor uns. Der Boden wird
immer sumpfiger, die Wasserfláchen nehmen zu, und nun geht der Ritt mehr und
mehr durch Wasser. Wir ziehen unser Ölzeug an. Rechts und links von den grii-
nen Inselchen nicken weiBe Biischel von Wollgras, bald verschwinden auch diese
Farbenflecken, und unter einem grau bedeckten Himmel breitet sich die Sand-
und Wasserwiiste vor uns aus. Die Skeidará, die dicht am Gletscher reiBend und
wild dahinströmt, zerteilt sich, je náher sie dem Meere kommt, in zahllose Arme.
Rinnen von austretendem Grundwasser kommen dazu, und so flieBt hier eine
flach ausgebreitete Wassermasse tráge dem nahen Meere zu.
Platsch, platsch, lustig spritzen die Wasserstrahlen von den Hufen der Pferde
in die Luft. Herrlich geht es auf weichem aber festem Sanduntergrund in schnel-
lem Galopp vorwárts. Der Weg ist leicht zu finden. Er ist in groBen Abstánden
durch niedrige Holzpflöcke markiert, und meistens sind unter dem flachen Was-
ser auch die alten Spuren sichtbar.
Zunáchst queren wir eine breite Wasserfláche, spáter tauchen zahllose, schwarze
Sandinseln und -bánke aus dem Wasser auf. Nichts belebt die Öde, keine Pflanze,
kein Yogelschrei; nur einmal sitzt auf einem Inselchen eine groBe, dicke, braune
Raubmöve — ein Skumir —, der nur auf dem Sander dort in Öraefi zu Hause ist.
ÚberlebensgroB scheint er, da jeder Vergleichsmafistab fehlt.
Allmáhlich wird die graue Silhouette von Ingólfshöfdi (höfdi = Vorgebirge)
gröBer und gröBer. Steil hebt sich der Bergrúcken im Osten und senkt sich all-
máhlich nach Westen zu auf Meereshöhe hinab. Deutlich erkennt man, daB eine
geringe Einkerbung den östlichen, plateauartigen, mit steilen Wánden abfallen-
den Felsen von dem wesentlich kurzeren, westlichen Teile, einer sanft gerundeten
Dúne, trennt.
Wir náhern uns dem Meere. Von links, von Osten her, tönt das Rauschen der
Brandung. W eiBeSchaumköpf e blicken úber denf lachen Strandwall zu uns herúber.
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