Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Side 25
einer Kenninganrede zuriick. Möglicherweise verrat die metrische Form etwas
uber die Entstehung dieser letzten Strophen. In V. 61 fehlen nicht weniger als
fúnf Binnenreime, die drei anderen Strophen sind dagegen korrekt. Vielleicht ist
V. 61 eine improvisierte Gelegenheitsstrophe, an die Kormak dann die drei durch-
gestalteten weiteren Verse angehangt hat.
Áhnlich mag der Fall liegen bei den Schatzungsstrophen, V. 7 u. 8. Die erste,
mit ihren zwei fehlenden Halbreimen, könnte eine Gelegenheitsstrophe sein,
vielleicht eine gestellte Aufgabe in der Art der bekannten Schwertstrophe Hall-
freds, die zweite eine spater hinzugedichtete Fortsetzung.
Eine ganze Reihe weiterer Verse von Kormak werden wohl gröfieren Gedicht-
gruppen angehören, deren tibrige Strophen uns verloren sind. So haben wir zum
Beispiel zwei versprengte Reste eines Gedichtes, in dem Kormak seinen Unmut
darúber auBert, daB er wegen Schmahdichtung verfolgt werde, die V. 46 („nicht
sollen mich die Leute zum Schweigen bringen“) und die Halbstrophe 22 a („ich
bleib dabei, úber sie zu dichten“).
Ich bin mir klar darúber, daB ich fiir die Zusammenfassung der Strophen in
Gruppen Kriterien beibringen muBte, die nicht unbedingt auf die gezogenen
Schlússe hinfúhren. Immerhin habe ich Gruppenbildung nur dann angenommen,
wenn mehrere Beobachtungen dafúr zu sprechen schienen. Ich gebe aber zu, daB
auch dann noch manches nur subjektiv Entscheidbare stehenblieb.
Es wáre nun reizvoll, wenn es gelánge, die Zúge, die in Kormaks losen Stro-
phen als fúr ihn bezeichnend aufgefallen sind, auch in den Resten seines Preis-
gedichtes wiederzufinden. Denn dann könnte erst mit Sicherheit behauptet wer-
den, daB lose Strophen und Preislied von demselben Dichter stammen. Bekannt-
lich zitiert Snorri in seiner Edda auch nicht eine einzige lose Strophe Kormaks,
wáhrend wir dieser Schrift 7 Halbstrophen des Preisliedes verdanken. Allerdings
macht er es bei Egil áhnlich, er zitiert 8 Stellen aus Egils gröBeren Gedichten,
aber nur 2 Halbstrophen aus den Lausavisur.
Leider geben die 8 Halbstrophen von Kormaks Preisgedicht nur eine áuBerst
dúrftige Vergleichsmöglichkeit. Die paar Áhnlichkeiten, die man feststellen
kann, besagen daher nicht viel, sie können ebensowohl zufállig sein.
Szenische Anschaulichkeit im Sinne der losen Strophen könnte man sehen in
V. 2: „das Schwert schafft ihm Landbesitz“; und stárker in der ganz un-preislied-
máBigen Schilderung der Freigebigkeit: „Man braucht weder Efinapf noch dessen
Inhalt mitzubringen, wenn man zu ihm geht.“ — Einige Wortanldánge besagen
nicht viel, so die rhetorische Frage in V. 6: „Wer könnte gegen ihn an?“ (vgl.
Lv. 49: „Was könnte gegen unsere Liebe anrennen?“), oder die Verschleierung
einer Redensart durch die Kenning: V. 7: „ich bitte ihn, er möge des Bogens
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