Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Blaðsíða 50

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Blaðsíða 50
Heldenkraft, stark und ungebrochen im Un- gluck, verfoigt von Feinden, gequált von der Einsamkeit und Unruhe des Áchterlebens, tapfer und groB im Untergang: das Dasein dieses Mannes ist mehr als nur ein Einzel- schicksal, es wird zum Symbol fur das Leben uberhaupt, so wie die Alten es sahen und fúhlten. Ursuia Zabel sptirt dem mit feinem Verstándnis nach. Sie versteht es, das Schick- sal des groBen Eriedlosen eindrucksvoll nach- zugestalten, und sie ftigt neue Ztige hinzu, die das úberheferte Bild ergánzen. Es ist ihr nicht alles gelungen; manchmal halt ihre Dar- stehung der der Saga nicht stand, so z. B. bei Thorbjörgs groBmútiger Tat, auch Glams Eluch und Asdis’ Abschied von den Söhnen sind in der Saga tiberzeugender und schlich- ter gegeben; Unklarheiten und stilistischeUn- ebenheiten fallen auf, und vielieicht ist die Zusammenfassung der Sagahandlung in elf Bildern nicht ganz glticklich gewáhlt. Doch das Werk ais Ganzes scheint uns ein Versuch zu sein, der es durchaus verdient, froudig be- grtiBt zu werden, um so mehr, als in dem zwei- ten nordischen Drama Ursula Zabels den an- gedeuteten Mángeln gegentiber ein entschie- dener und groBer Fortschritt zu verzeichnen ist. „Norden in Not“ ftihrt uns in die ger- manisehe Kolonie Grönland. Das Schicksal der Kolonisten war tragisch. Vom Mutter- land im Stich gelassen, einem unwirtlichen KJima und fremdstámmigen Bedrángern preisgegeben, hatten sie stets ihren Unter- gang vor Augen. Aber der Mut war waeh ge- blieben, der Sinn in die Weite: Winland war das náchste Ziel, es sollte der Boden ftir eine neue Heimat werden. Ursula Zabel nimmt die Stimmung der tiberlieferten Grönlánderge- schichten auf, steigert sie und gestaltet sie neu. Selbstbehauptung und Mut auch ange- sichts des Unterganges, ungebrochener Wille zum Leben und Einsatz aller Kráfte zum Wiederaufbau istdas groBe Thema, das immer wieder aufklingt. „Segen tiber unsern Mut“ und „Wenn einer mein Schiff verbrennen wtirde, ich baue morgen ein neues. Wenn die Gletscher unser letztes Land begraben, wir suchen ein neues.“ Aber auch zersetzende, diesen stolzen Mut schwáchende Máchte sind am Werke. Einar hat sich in der Fremde in- nerlich vom Geist seiner Heimat entfernt. Er, der der Ftihrer der in Not geratenen Hei- mat sein sollte, hat vergessen, daB es seine Aufgabe ist, neue Lebensmöglichkeiten ftir die Seinen zu schaffen. Vergebens mahnt ihn Ulf, sein treuer Freund und Schwurbruder. „Wir sind immer noch kein Volk geworden. Wir sind wie die Splitter eines alten Volkes. Das Mutterland weiB kaum noch die Namen unserer Geschlechter. Die Welt hat uns ver- gessen. Grönland ist kein Land. Wir stehen auf einer Schwelle. — Aber wir Nordleute wollen ein Volk sein, und wáre es nur, daB wir die Saat wtirden in einem neuen Lande, drti- ben in Winland." Nicht nur, daB Einar sich selbst in falschem Ehrgeiz hat blenden lassen, er bringt auch noch den verráterischen Bi- schof mit, der geschickt Zwietracht zu sáen versteht, um seine Ausbeutungspláne besser erreichen zu können. Vergebens wehren sich Ashild, die Frau, und Ulf, der Freund, da- gegen. Die Zwietracht wáchst. Das Volk, zer- mtirbt duroh Not und verwirrt durch falsche Leliren, wendet sich dem Bischof zu. Einar und Ulf stehen sich als Todfeinde gegenúber. Ulf wird von Einar erschlagen. Da ist der Bann gebrochen. Das Volk weiB seinen Weg wieder. Es kommt, wie Ulf es voraussagte. „Sie können mich töten, aber Sieger werden sie nicht. Sie können euch einen falschen Glauben einreden, aber eines Tages werdet ihr selber den rechten finden. Der láBt sich nicht töten .. .“ Ulfs Rettungsplan, dieFahrt nach Winland, wird trotz unzureichenden Mitteln beschlossen. Einar, durch seine Tat aufs tiefste erschtittert, erkennt seine Schuld und tibernimmt das schwere Amt, die, die noch zurtickbleiben mtissen, zu verteidigen und ftir sie zu sorgen. — Besondere Sorgfalt hat die Verfasserin der Charakterzeichnung Ulfs und Ashilds gewidmet. In Ulf lebt ein ganz starkes Geftihl der Verpflichtung und Verantwortung gegentiber der Gemeinschaft. Ein echt germanischer Zug ist sein sicheres Selbstgeftihl, der tiberzeugende Glaube des Berufenen an seine eigene Kraft und Auf- gabe. „Ulf war der Adel auf dieser Welt.“ Ashild ist die mtitterliche, warmherzige Frau, die tatkráftig und tapfer im Leben steht und ftir die Ihren unerschrocken eintritt. Sie ist ganz Mutter, und ihre gröfite Sorge ist es, ihren Kindern den tragenden Volksboden zu 86
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