Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Side 40
Island war jedoch nicht allzu lange, und die Islander scheinen darauf auch keinen Wert ge-
legt zu haben. Als sie von Deutschen und Englándern erfahren haben, daö Didrik Pining
auöer Landes verstorben sei, da fassen sie am 1. Juli 1491 auf dem Althing den Beschluö,
König Hans zu bitten, den Sohn von Björn Þorleifsson, Einar Björnsson, „aber keinen an-
deren, sofern der áltere Didrik Pining tot ist“, zum Statthalter zu ernennen, indem sie an-
fiihren, daB „der jiingere Didrik Pining, der hier im Lande ist und die Vollmacht seines
Vcrwandten des álteren Pinings hat, keinen Biirgen noch Geld habe, um fiir sich BuBe zu
zahlen, wenn er den Menschen nicht Recht tue.“ AuBerdem weisen sie auf den Vertrag zwi-
schen dem König von Norwegen und den Bewohnern des Landes hin, dem zufolge ihnen
islándische Lög- und Lehnsmánner in Aussicht gestellt werden. Náheres iiber Pinings Tod
ist nicht bekannt. Da er ohne Erben gestorben ist, erhebt seine in Hildesheim wohnende
Schwester Anspriiche auf seine Hinterlassenschaft, und der Hildesheimer Rat wird beim
König von Dánemark in der Angelegenheit vorstellig. Der jiingere Didrik Pining láBt sich
spáter als Biirger von Hildesheim nachweisen und bekleidet in den Jahren 1521—1531 das
Amt des Biirgermeisters diescr Stadt1. Mit Island scheint er keine Verbindung mehr gehabt
zu haben.
Matthias Jochumsson
Zum hundertsten Geburtstage des islándischen Nationaldichters
Von Kristján Albertson
Der groBe islándische Dichter Matthias Jochumsson wurde anláBlich seines hundertsten Ge-
burtstages im November d. J. in seinem Heimatlande so gefeiert, wie es bei allen Völkern nur
mitden gröBten Dichtern gesehieht, d. h. mit Theaterauffiihrungen, Festessen, Reden uber
ihn und Rezitationen aus seinen Werken im Rundfunk und in den Schulen und durch neue
Briefmarken mit seinem Bildnis, — in Reykjavik und seiner Heimatstadt Akureyri blieben
sogar Banken und Láden geschlossen, damit der Tag nur im Zeichen des Andenkens an den
Dichter stiinde.
„Matthias Jochumsson war rund ein halbes Jahrhundert lang Jslands erklárter Liebling
und Dichterfurst, und zwar ein echter Dichter von Gottes Gnaden.“ Dies schrieb Heinrieh
Erkes, ein deutscher Gelehrter, der Island eingehend kannte.
Der Dichter war Sohn eines armen kinderreichen Bauern, wurde von einer Kaufmannsfa-
milie wegen seinor auöergewöhnlichen Begabung gefördert, machte sein Abiturium und stu-
dierte danach Theologie. Er war lange Pfarrer, zuerst auf dem Lande und dann in Akuroyri,
der Hauptstadt des Nordlandes. Dort wohnte er bis zu seinem Tode. Im Jahre 1900 hatte er
seine geistliche Tátigkeit aufgegeben, als das islándische Allting beschloB, ihm eine Iebens-
lángliche staatliche Dichtergage zu gewáhren. Er war Ehrenbiirger in Akureyri, und zwar der
cinzige Ehrenburger im Lande, und seine Biiste stand schon lange vor seinem Tode in dem
Stadtgarten seiner Heimatstadt.
Er starb ihm Jahre 1920, und das Gedáchtnis an den greisen Dichter, der bis zu seinem
Lebensende ungewöhnliehen Scharm und starke Vitalitát besaB, ist daher heute noch im
Lande sehr lebendig. Er war als 80 jáhriger noch einer der Jiingsten im Lande, fiir alles Neue
empfánglich, stets in die Zukunft schauend, unaufhörhch Artikel und Gedichte schreibend,
immer sich als der höchste geistige Betreuer seines Landes fiihlend. Wenn er nach Reykjavik
kam, wurde er immer mit einem groBen Bankett gefeiert, das meistens bis spát in die Nacht
dauerte. War er in guter Stimmung, brachte er es mitunter an einem solchen Abend bis zu
zwanzig improvisierten Reden, die durch Geist und Witz alle bezauberten. Táglich sah man
ihn in den StraBen, leutselig, fiir jedermann zugánglich. Er sprach mit Kindem und Leuten
aus dem Volke, fragte, erkundigte sich, hörte teilnahmsvoll zu, tröstend, muteinflöBend,
1 Gebauer in: Alt-Hildesheim.
76