Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Síða 35
Die Berichte der islandischen Quellen iiber Didrik Pining
Von Hildegard Bonde
Der Name Didrik Pinings ist in den letzten Jahren mehrfach genannt worden, und es ist den
Bemiihungen einzelner Gelehrter gelungen, etwas Idcht in das Dunkel zu bringen, das diese
fast sagenhafte Gestalt umgibt. Wir wissen jetzt, daB die Heimat des kiihnen Seefahrers,
der schon zwanzig Jahre vor Columbus nach Amerika vordrang, nicht in Norwegen zu su-
chen ist, wie man friiher annahm, sondem daB er, aus Hildesheim gebiirtig, Sohn des dor-
tigen Tile Pining und seiner Gemahlin Armgard, nach dem Norden auszog, um sein Gluck
zu versuchen. Die Lust nach Abenteuem bewog ihn wohl, seine Vaterstadt zu veriassen
und am danischen Königshofe Dienste zu nehmen, sie war es, die ihn sein ganzes Leben
hindurch begleitete und ihn bald hierhin, bald dorthin warf. Nur Bruchstúcke sind es, die
AufschluB tiber sein Tun und Handeln geben, kurze Notizen in allerlei Akten und Urkunden,
Briefen und Dokumenten. Bald erscheint er als der wegen seiner Taten gepriesene Seeheld,
bald als der gemeine Seeráuber, der im Vereine mit seinem Kameraden Pothorst Schiffe
kapert und die Meere unsicher macht.
Auch úber den Aufenthalt Pinings auf Island sind nur spáriiche Nachrichten auf uns ge-
kommen, und es blieb der dichterischen Phantasie eines Hans Friedrich Blunck vorbehalten,
ein lebensvolles Bild von dem Wirken Pinings als Statthalter der Insel zu entwerfen1. Wann
Pining mit diesem Amt betraut wurde, ist unbekannt. Jedenfalls war es keine leichte Auf-
gabe, die er úbernahm. In den islándischen Gewássern tobte seit Jahren der Kampf zwischen
den fremden Nationen, die im Handel mit den Islándem ihren Vorteil wahrnahmen und sich
gegenseitig aus den islándischen Háfen zu verdrángen suchten. Englánder, Skandinavier
und Hanseaten trugen dort oben ihre Fehden aus und rangen um die Vorherrschaft. Der
Statthalter Björn Þorleifsson war 1767 von englischen Kaufleuten erschlagen, sein Sohn
Þorieifur Björnsson gefangengenommen, aber durch hohes Lösegeld von seiner Mutter Olöf
Loptsdóttir freigekauft worden. Spáter bekleidete er das Amt des Statthalters von Nord-
und Westisland. Etwa zur gleichen Zeit tritt auch Didrik Pining zuerst als Statthalter auf
den Plan. Nach einer in der Arnamagnáanischen Sammlung zu Kopenhagen erhaltenen Ur-
kunde ernennen die beiden „Statthalter tiber ganz Island“ zusammen mit Einar Björnsson
und Olöf Loptsdóttir am 3. Juli 1478 auf Þingvellir zwölf Mánner zur Abschátzung des Ver-
mögens des verstorbenen Gudmundur Arason2. Im Monat darauf stiftet Didrik Pining einen
Vergleich zwischen dem genannten Þorleifur Björnsson und dem Bischof Magnús Eyjólfsson
Von Skálholt in Ehesachen des ersteren. Þorieifur Björnsson hatte mit Ingveldur Helgadóttir
in Gemeinschaft gelebt und mehrere Kinder gezeugt, ohne daB ihnen als fjórmenningar,
d. h. Verwandten in vierter Linie, die Gesetze eine regelrechte Heirat gestatteten. Nun war
der Bischof bereit, gegen Zahlung einer Bufie und unter der Voraussetzung der erzbischöf-
lichen bzw. pápsthchen Einwilligung seine Zustimmung zur Ehe der beiden zu geben. Unter
1 In seinem Roman „Die groBe Fahrt". Múnchen 1935. Vgl. auch Blunck: Diderik Pining
kampft um Island, in Jg. 20, 1934/35, S. 72—74 und Heinrich Erkes: Ein Deutscher als
Gouverneur auf Island und Mitentdecker Amerikas zwanzig Jahre vor Kolumbus, in Jg. 16,
1928/29, S. 83—86dieser Zeitschrift. Das Hauptwerk úber Pining: SofusLarsen: The dis-
covery of North America twenty years hefore Columbus, Copenhagen—London 1924. Dazu
H. F. Blunck: Geschichtliche Unterlagen der Fahrt Pinings nach Neufundland 1472, in:
Völkischer Beohachter vom 7. Márz 1935. Aus neuester Zeit seien noch die aufschlufireichen
und verdienstvollen Arbeiten von J. H. Gebauer erwáhnt: Der Hildesheimer Dietrich
Pining als nordischer Seeheld und Entdecker, in: Alt-Hildesheim. H. 12, 1933, S. 3—18 und:
Gltick und Ende eines niedersáchsischen Seehelden und Entdeckers, in: Niedersachsen.
Jg- 38, 1933, S. 258—261. 2Die Hauptquelle fúr die Tátigkeit Pinings als Stattkalter von
Island bildet der 1900—1904 erschienene Band 6 des Diplomatarium islandicum.
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