Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Síða 55
Snorris altem Wohnsitz, auf dem sich heute
die modernste islandische Volkshochschule er-
hebt. Die Volkshochschule Reykholt hat es
sich unter der tatkráftigen Fiihrung ihres Lei-
ters zur Aufgabe gemacht, das Andenken Snor-
ris in jeder Beziehung besonders zu pflegen.
Diesem Zweck dient u. a. eine Snorri-Samm-
lung, in der alles zusammengetragen werden
soll, was an einheimischen und auslándischen
Ausgaben von Snorris Werken und an Arbei-
fen iiber ihn und sein Werk erschienen ist. Die
Verwirklichung dieser Pláne wiirde Reykholt
wieder zu einer Pflanzstatte echter islándi-
scher Kultur machen.
An dem Ausbau des Wegenetzes auf Is-
land ist auch im Sommer 1935 planmáBig wei-
tergearbeitet worden. Es sind wieder etwa
D/i Millionen Kronen ausgeworfen worden,
um dieses fiir die Entwicklung des Verkehrs
wichtige Vorhaben zu fördern. Es gibt jetzt
nur noch ganz wenige Landschaften, die we-
gen ihrer besonders schwierigen Verkehrslage
noch nichtdem Kraftverkehr erschlossen wor-
den sind. Dazu gehören vor allem betrácht-
liche Teile der Bardastrandar- und Isaf jardar-
sýsla.
Die Vermessung Islands durch das dáni-
sche Geodátische Institut ist im Sommer 1935
untcr Leitung von Kapitán W. Ulrich plan-
JnáBig fortgefiihrt worden. Dabei hat sich her-
ausgestellt, daB die Karte von Björn Gunn-
laugsson schwere Fehler enthált. So ist z. B.
der FluB Tungnaá 15—20 km zu weit nördlich
gezeichnet, wáhrend der als Wegmarke be-
kannte Berg Arnarfell hid mikla um ebenso
wiele Kilometer zu weit nach Siiden geriickt
ist. Nach den Arbeiten dieses Sommers ist von
der Kiistenstrecke jetzt nur das Stiick zwi-
schen dem Berufjördur und der Lónsheidi
uoch nicht vermessen, wáhrend die resthche
Vermessung des Inlandes einschhefilich des
Vatnajökull noch vier Sommer in Anspruch
nehmen wird.
Der GroBe Geysir springt wieder! Is-
lands gröBte Springquelle, der Geysir im Hau-
kadalur, der seine Tátigkeit im Jahre 1916
eingestellt hatte und seitdem nur noch in den
erdkundlichen Schulbuchern (auch den nach
1916 herausgegebenen!) sprang, ist in diesem
Sommer durch einen kunstlichen Eingriff wie-
der zum Leben erweckt worden. Auf Grund
von Messungen und Berechnungen von Dr.
Trausti Einarsson wurde durch eine AbfluB-
rinne der Wasserspiegel des Beckens so weit
gesenkt, daB durch diese Verringerung der
Spiegelfláche die Temperatur des Geysirs in
10 Meter Tiefe auf den bis dahin nicht mehr
erreichten Siedepunkt von 120° gebracht wur-
de. Die Folge war, daB der Geysir am 27. Juli
nachmittags zum erstenmal nach 19 Jahren
wieder ausbrach und das schöne Schauspiel
einer bis zu 50 m hoehgeschleuderten Wasser-
garbe bot. Dic Ausbriiche haben seitdem, wenn
auch nicht in ganz regelmáBigen Abstánden,
angehalten und in den Sommertagen eine Un-
zahl von Besuchern angelockt. Da der Geysir
mit dem Kraftwagen zu erreichen ist, wird er
wohl in Zukunft eines der begehrtesten Ziele
des jetzt in jedem Sommer vonReykjavík aus-
gehenden Ausflugsstromes sein.
Der Anbau von Getreide auf Island macht
groBe Fortschritte. Die Ziichtung klimafester
Sorten von Gerste, Hafer und sogar Winter-
roggen ist soweit gediehen, daB der Anbau die-
ser Arten fiir Futterzwecke lohnend geworden
ist und jetzt dafiir geworben wird, daB jeder
Hof wieder wie in alter Zeit seinen eigenon
Getreideacker bekommt. Bahnbrechend auf
diesem Gebiete ist der Bauer von Sámsstadir
gewesen. GroBe Stiicke sehr gut stehender
Gerste und Hafers konnte man in diesem Som-
mer in der Náhe von Reykjavík auch auf dem
Hofe Blikastadir sehen.
Schwere Winterstiirme auf Island. Seit
Beginn des Winters berichten die islándischen
Zeitungen fast wöchentlich von schweren Un-
wettem, die immer wieder, zu Wasser und zu
Lande, Menschenopfer fordern. Einer der
schwersten Schneeorkane, die seit Jahrzehn-
ten verzeichnet worden sind, hat am 21. De-
zember das östliche Nordland und die West-
kiiste heimgesucht. Dabei sind 25 Menschen
ums Leben gekommen, die meisten auf Ruder-
booten und kleinen Motorfahrzeugen, die sich
vor dem ganz plötzlich einbrechenden Sturm
nicht mehr bergen konnten. Die iibrigen sind
im Schneesturm umgekommen.
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