Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Qupperneq 42

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Qupperneq 42
seine Zeit modem und fortschrittlich und wenn fur heutiges Empfinden auch inanches gestrig anmuten mag — so ist durch die Reinheit des hier vertretenen Jugendstils immer Haltung bewahrt. — Senator Possehl selbst hatte nur einen Sommer daran Freude gehabt — er starb ein halbes Jahr nach Fertigstellung seines Hauses. — Das Haus hat dann Krieg, Revolution und Inflation iiberstanden, war einmal der Sommeraufenthalt Ida Boy-Eds, der in Liibeck lebenden Schriftstellerin, um dann viele Jahre den zahlreichen Sommergásten die zuge- zogenen Fensterláden zu zeigen. Im vergangenen Jahr nun hat die Possehl-Stiftung (die Rechtsnachfolgerin und Verwal- terin der Possehlschen Nachlasse), fur die Sommermonate das Haus der Nordischen Gesell- schaft zur Verfugung gestellt. EinPlan, der schon vor mehreren Jahren gefaCt wurde, konnte nunmehr dank dieses groCen Entgegenkommens erfullt werden. Das deutsch-nordische Schriftstellerhaus Und alljáhrhch verbringen nun Schriftsteller aus Deutschland und den nordischen Lán- dern 2—3 Sommermonate in neuer Gemeinschaftsform zwanglos kameradschaftlich in die- sem Hause. Das Haus hat keine gröCere Anfgabe zu erfullen, als den Geist Herders lebendig zu er- halten und den Pulsschlag unserer Zeit aufzufangen. Es wáre verfehlt, dieses Haus als eine Unterstiitzungsaktion fur aufstrebende, mittellose Schriftsteller anzusehen. Ebenso ver- fehlt aber ist es, in diesem Hause eine Propagandaburg zu sehen. Hier sollen sich Menschen treffen, die von ihrem Volk und Land der Welt kiinden sollen. Hier sollen sich Menschen zu- sammenfinden zu gemeinsamem Gedankenaustausch, um Kraft fiir neue gute Werko zu sammeln. Der Geist der Landschaft wird zu ihnen sprechen. Die sieben Tiirme der alten Hansestadt griiCen mahnend, und das Raunen der Ostseewogen ist neue Aufforderung je- nes nordischen Geistes, der allen Völkem um die Ostsee immer wiederdie Kraftgegebenhat, aus Eigenem schöpferische Hochwerke zu schaffen. Eine neue Jugend ist in dieses Haus eingezogen. Menschen aus gleicher Landschaft, aber mit ungleichem Erlebnis. Wohl mag dem Bedáchtigen der Plan einer solchen Gemeinschaft gewagt erscheinen, und im Grunde genommen ist er es auch. Wenn in dieser Urwurzel das gemeinsame Erlebnis der Ostsee und seiner Lander auch gleich sein mag, so ungleich hat die- ses selbe Meer oft die Menschen durch seine áuCere Entwicklung gebildet. Wir mussen uns immer bewuGt sein, daC bei der Zusammenkunft von Vertretern aus Skandinavien und Deutschland eine Entfemung durch das verschiedene Erlebnis entstanden ist. In Frieden lebende Völker wohnen nördlich unseres Meeres. Aufgewuhlt, herumgeworfen und zutiefst neu gewandelt durch das Erlebnis des nahen Todes steht der junge deutsche Mensch da, die Hand uberdas Meer reichend. So muGte auch der kunstlerische Ausdruck des Geistigen sich hiiben und driiben verschiedenartig entwickeln. Aus der tiefen Ruhe eines gefestigten Staates schöp- fen unsere skandinavischen Freunde ihre geistige Gestaltungskraft. Aus dem erschiitternden Erlebnis des Krieges und der Zerrissenheit schuf die junge deutsche Generation unter dem Fiihrer sich ein neues Reich. Und doch, wer den Glauben hat, wird keinen Augenblick daran zweifeln, daC dieses Haus seine ihm gestellte Aufgabe erfiillen wird. Denn hiiben wie driiben gelten zwei Grundbegriffe, die trotz der verschiedenartigen Entwicklung, die die Völker in dem letzten Jahrhundert durchmachten, fiir jede Zusammenarbeit letzte Giiltigkeit habon: Anstándigkeit und Treue. Und gleich das erste Jahr hat schon bewiesen, daC ein solches Zusammenleben auf der Grandlage der gegenseitigen Achtung möglich ist. Acht junge Dichter haben sich zusammen- gefunden und wurden Freunde. Da kam der dánische Romanschriftsteller Erik Bertelsen, der junge norwegische Landsmaaldichter Asmund Sveen, Tito Colhander, der Erzáhler und groGe Freund Deutschlands, ein Finnland-Schwede, der uns allein wieder Beliman nahe brachte, da war Lauri Viljanen, der Finne, Lyriker und Ubersetzer — Hamsun und Kleist und Goethe liat er mustergiiltig ins Finnische ubertragen — und dann war vom Norden noch 78

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