Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Síða 5

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Síða 5
schön aufgewucherten Hauptstadt (sie umfaBt heute ein Drittel des ganzes V olkes) in Sprache und Haltung, in Kunst und Wissenschaft urwiichsigstes Tslandertum kraftig weiter gedieh. Wer langer unter ihnen gelebt hat, wer das Bauerntum der Islander und ihre harte Seefahrt kennt, wer Zeuge der groBen Jahrtausend- feier des islandischen Staates im Jahre 1930 gewesen ist, der weiB, daB in diesem kleinsten der germanischen Yölker eine Fiille jener artbewuBten Krafte, jener Spannungen und Möglichkeiten steckt, an denen das neue deutsche Lebensgefiihl sich erkennt und erganzt. Wir haben angedeutet, daB fiir das islandische Volk in seiner ráumlichen, seiner politischen und seelischen Lage die Auseinandersetzung mit der europáischen Zivilisation und dem 19. Jahrhundert mit am schwierigsten ist. Welche politischen, welche wirtschaftlichen und geistigen Lebensformen es immer aus dieser Auseinandersetzung entwickeln mag — hierin soll jedes Yolk seinen eigenen Weg gehen — iiberall, wo es seine Art nicht verleugnet, wo es aus seinen Volkskráften schöpft und den heiligen Besitz seiner hohen Kulturgiiter weiter hiitet und fruchtbar macht, werden tmsere Mitarbeit, unsere Verehrung und Liebe ihm folgen. Denn dieseLiebe wurzelt wie in der Einmaligkeit der islán- dischen Landschaft, so in der Einzigartigkeit jener nationalen Kulturschöpfung des Freistaates, deren klassische Sprachwerke der Eddas und Sagas heute zu einem symbolischen und kraft- und erkenntnisspendenden Besitz des deutschen Volkes werden. Und diese Liebe wurzelt in dem, was die Islánder noch heute dieser ihrer stolzesten völkischen Leistung wiirdig sein láBt: daB sie nicht nur an ihr forschen und deuteln, sondern aus ihr leben, daB sie nicht nur ihre Ge- genwart und jenen hohen Anfang ihres Volkes sehen, sondern auch alles, was dazwischen liegt; daB sie vor allem aber nicht ausruhen auf jener Leistung, sondern noch höhere Ziele in der Entfaltung ihrer Art und Kráfte spiiren. Wo sonst in Europa gibt es auch heute noch oder heute schon wieder eine solche Ein- heit der Sprache und Bildung, eine solche Gemeinsamkeit im Gebundensein an Boden und Natur und eine solch gemeinsame Beziehung zu allen Berufen und Arbeitszweigen eines Volkes wie in Island ?! Es miiBte bei aller Beschránktheit der Verháltnisse ein Vorgang von begeisternder GröBe sein, das Volk, das noch heute die unvergleichliche Sprache seiner tausendjáhrigen Vergangenheit spricht, aus dem Geisteskampf mit der Maschine und dem Materialismus seinen alten Adel und seine iiberreiche, unerschöpfte Begabung zu einer neuen Bliite ent- falten zu sehen. Vielleicht mag ihm dazu das deutsche Geschehen Wind in die Segel fiihren; denn dieses Geschehen macht es aller Welt bewuBt, daB Island vor tausend Jahren eine Mission unter den germanischen Völkern erfiillt hat — deren Saat erst heute aufgeht. 5

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