Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Síða 15

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Síða 15
Wollmutze gezogen und sogar die Augen verkrochen sich hinter buschigeBrauen. Er begriiBte uns kurz und tat erst schweigend, was ihm oblag: Er hatte dafiir zu sorgen, daB der mögliche Weg iiber den Gletscher durch versetzbare Holzpflöcke markiert werde. In der letzten Woche waren am Rande neue Spalten entstanden, und man muBte jetzt höher hinauf ins Eis steigen, um sie zu umgehen. Wir wech- selten die Pferde, verabschiedeten uns von unserm bisherigen Begleiter, und er ritt voran. Nicht viele Worte drangen aus dem Dickicht seines Bartes zu uns, aber er ziigelte stets riicksichtsvoll sein Pferd, wenn er merkte, daB einer von uns aus dem Sattel geschwind eine Aufnahme von den Eiskaskaden machen wollte, die der Gletscher hier zur Kiiste hinabschickt. In seinem Hofe empfing uns seine Tochter mit Kaffee und Kuchen. Da es noch nicht spat am Tage war, wollten wir bis zum nachsten Hofe weiterwandern. Der Bauer meinte, wir waren ihm auch fiir die Nacht willkommen, aber wenn wir weiter wollten, so wiirde er uns zu Pferde fortbringen, er miisse sowieso zu seinen Wiesen reiten. Kurz vorm Ziel fragten wir, was wir schuldig seien. Er lachelte — jedenfalls verzog sich der mach- tige Schnurrbart ein wenig — und sagte: „Gebt mir so viel, wie der Bauer von den Vogelbeerwiesen von euch gefordert hat.“ Wir antworteten ihm, der habe nichts von uns annehmen wollen. Der Bauer meinte: „Ich finde, das war recht von ihm, denn wenn fremde Studenten hierherkommen, um unser Land kennen- zulernen, dann sollen sie unsere Gáste sein, und wir wollen ihnen helfen, so gut wir’s können.“ Dann zog er seine Fausthandschuhe aus (sie hatten nach islán- discher Art zwei Dáumlinge), drúckte uns die Hand und ritt an seine Arbeit. Auf der Hochebene zwischen dem nördlichen und östlichen Kustengebiete sind nur wenige groBe Höfe. Die Bauern, die hier wohnen, können noch freier atmen als ihre Landsleute anderswo in dem dúnnbesiedelten Lande. Der náchste Hof ist mehrere Reitstunden entfernt, die Berge sind weit zurúckgetreten, nur ein paar alte Vulkane ragen als máchtige Klötze aus dem Elachlande. Die Menschen dort oben hausen wie kleine Könige in ihrem weiten Besitz. — Jón ASalsteinn wirkt wie ein FúnfunddreiBiger, doch er erzáhlt von seiner Silberhochzeit im vergan- genen Jahre, bei der er hundert Gáste zu beherbergen hatte. Er ist nicht groB, hat einen schlanken, sehnigen Körper, und nur die leicht angegrauten Haare ver- raten ein höheres Alter. An sein Gesicht kann ich mich nicht mehr recht erinnern, denn seine Zúge veránderten sich stark, wenn er sprach, und er redete rasch und zugreifend. Am besten kann ich ihn mir zu Pferde vorstellen, denn dann spúrte naan das Stolze und HerrenmáBige seines Wesens am stárksten, das zu der Un- scheinbarkeit seiner Gestalt in Widerspruch zu stehen schien. Als wir abends nach dem Essen beisammensaBen und er uns eindringlich mit Wort und Zeichnung un- sern Weg fúr den náchsten Tag erklárte, fiel ihm plötzlich ein, daB er uns noch die Reste eines heidnischen Tempels zeigen wollte, und er rief, ohne uns auch nur 15

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