Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Page 20

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Page 20
Diese Novellen zeigten eine groBe Reife, und einige von ihnen wie Kálfkotunga þáttur waren Zeugnisse einer bedeutenden kiinstlerischen Begabung. Vielleicht macht sich in diesen ersten Erzáhlungen der EinfluB vor allen Dingen norwegi- scher Schriftsteller geltend: Hamsun, Obstfelder u. a. Das náchste Buch „UntermHeiligenberg'1 (Undir Helgahnúk) ist entstanden im Kloster zu Clerveaux imter den ersten Einfliissen des Katholizismus. Es ist eine lange Geschichte oder besser ein Abschnitt aus einer umfangreichen Erzáh- lung, die Entwicklungsgeschichte eines Jiinglings von Kindesbeinen an bis zu der Zeit des ersten Schulbesuches. Stoff und Darstellung waren etwas ganz Neues in der islándischen Literatur, nur Gunnar Gunnarsson hatte in seinem Drengen einen áhnlichen Stoff behandelt, aber auf ganz andere Art. Im Anfang sind Skiz- zen aus dem Leben der Studenten in Kopenhagen; es wird da geschildert, wie ein islándischer Student unter die Ráder kommt und wie er spáter auf Island als Landpfarrer verkiimmert. — Dieses Buch wurde ziemlich ablehnend aufgenom- men; viele konnten sich nicht damit befreunden, daB es keinen inneren Knoten hatte, sondern daB die einzelnen Ereignisse aufgereiht waren an dem Lebensfaden des Jiinghngs. Der Stil dagegen entfernte sich kaum von dem, was man gewohnt war: nur schien der Schriftsteller manchem reichlich geschmacklos in der Art des Ausdrucks und der Wortwahl. Diesen Stil aber warf Laxness ganz iiber Bord in seinem náchsten Werk „Der groBe Weber von Kaschmir“, das lange Zeit sein bestes Buch blieb. Er gestaltet hier seine Irrwege von der Verzweiflung der Jugendjahre durch das Dunkel öst- licher und deutscher Philosophie, durch die Lehren Marx’ und Nietzsches, bis er in dem alleinseligmachenden katholischen Glauben Ruhe findet. Aber da, wo er den Helden der Geschichte am Ende verklárt in der Klosterzelle stehen laBt, da ist das nicht mehr er selber: er hatte den Katholizismus damit iiberwunden, daB er dieses Buch vollendete. Das Buch ist ein Zeugnis des eigenen Lebens, was stel- lenweise sehr stark hervortritt, es ist dariiber hinaus aber auch die Geschichte des Seelenkampfes zwischen Gott und Weib, Himmel und Erde, Gliick und Erkennt- nis. Dem Stoff entsprechend gebraucht Laxness hier einen wirklichen grand style, etwas ganz Neues, wo alle alten Fesseln gesprengt sind und der Schreiber die Quellen seines UnterbewuBtseins in unerschöpflichem RedefluB und auBerge- wöhnlicher Wandlungsfáhigkeit strömen láBt. Der Stil spielt zwischen der ein- fachsten Form der Kindergeschichte und der hohen Ebene philosophischer Spe- kulation, er wirft sein Licht auf unzáhlige Fláchen der menschlichen Seele, Be- geisterung, Ekel, Erotik in den verschiedensten Formen, Askese und Wohlleben usw. Zweifellos haben europáische Vorbilder den stárksten Anteil an der Erzeugung dieser Stilphantastik, doch darf man dariiber nicht Laxness’ persönliche Bekannt- 20

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