Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Qupperneq 21
schaft mit þórbergurþórdarsonunddessenberiihnitemBrief an Laura uber-
sehen. Dieses Buch ist eigentlich der erste deutliche Vertreter eines islándischen
Expressionismus. Der groBe Weber ist der erste Roman in diesem Stil.
Die europáischen Einflússe sind sehr deutlich und greifbar, und Laxness gefállt
sich darin, sie im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Bemúhen der Schriftsteller,
áuBere Einfliisse so gut wie möglich zu verbergen, diese geradezu zu unterstrei-
chen. Am stárksten sind vielleicht die Einflússe von Strindberg, Johannes Jör-
gensen, Papini und französichen Expressionisten und Surreahsten (André Breton
und Ph. Sopault) und dann vielleicht von italienischen Schriftstellern áhnlicher
Axt.
Diese greifbaren Einfltisse auslándischer Schriftsteller waren manchem Islán-
der der álteren Generation ein Dorn im Auge. Dazu kam, daB viele von den An-
schauungen des Buches hier zum erstenmal islándischen Lesern vorgesetzt wur-
den, obwohl sie dem Auslande lange vertraut waren. Doch war der Stil vielleicht
das AnstöBigste von allem, brutal und zúgellos, in scharfem Gegensatz zu dem
gemáBigten und gehaltenen Stil der Zeitgenossen. Es mag stimmen, was Laxness’
Gegner dem Buche vorwerfen: daB der RedefluB zum Geschwátz werde, daB die
Personen eher Typen als individuelle Charaktere seien, und daB das Buch úber-
haupt eine MiBgeburt sei: in der islándischen Literatur wird es wegen all des Neu-
artigen, des weitgreifenden Stoffes und der tiefen Erfahrung des Schriftstellers,
die darin steckt, wie ein Sauerteig wirken.
So ungleich die einzelnen Werke Laxness’ bisher sind, einen so groBen Schritt
jedes einzelne von ihnen in seiner Entwicklung bedeutet — er ist erst 24 Jahre
alt, als der „Weber“ herauskommt — so haben sie doch etwas Gemeinsames, das
sich wie ein roter Eaden durch sie alle hindurchzieht: die subjektive, ganz ego-
zentrischeBlickrichtung. So sind viele derKurzgeschichten nichts als Stimmungs-
bilder des Augenblicks oder Episoden aus dem Leben des Schriftstellers; Undir
Helgahnúk ist — abgesehen von einigen kleinen Ereignissen der Jugendjahre —
nichts anderes als die symbolische Darstellung der Rtickkehr des Verfassers in
den SchoB der Kirche. Und im GroBen Weber wird diese selbe Geschichte um so-
viel genauer erzáhlt, daB sie oft nahe daran ist, eine reine Selbstbiographie zu
werden.
t
Viel Selbstbiographisches enthált auch das Volksbuch (Alþýdubókin), eine
Sammlung von Essays, geschrieben in Kalifornien 1928—1930. Das Buch hatte
eigentlich eine Art Manifest des Sozialismus auf Island sein sollen, denn nachdem
die Kirche ihn nicht hatte halten können, war Laxness im Sozialismus und Kom-
munismus gelandet. Es sind aber in dem Buche einige Aufsátze wie der úber Jó-
nas Hallgrímsson und der úber Volkstum, die auf etwas ganz anderes hinaus-
gehen als auf das gewöhnliche Ideal des marxistischen Sozialismus. Eerner ent-
21