Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Side 22

Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Side 22
halt die Sanunlung scharfe Angriffe auf allerhand MiBstande im Yaterlande und iiber das, was dem Schreiber in der Lebensweise und Zivilisation Amerikas mifi- fallen hat. Diese Aufsátze sind fast alle wenig urspriinglich in ihren Gedanken, aber die Form ist neuartig, in den kritischen Beitrágen barock und grotesk. III In seinen letzten Biichern þú vínvidur hreini (Du reiner Rebstock) und Fuglinn i fjörunni (Der Vogel am Strande) wendet Laxness sich ab von seiner Selbstbe- spiegelung und Selbstbetrachtung und greift statt dessen hinein in das alltágliche Leben, wie es von der Bevölkerung Islands in den Fischernestern der Kiiste ge- lebt wird. Vom Gesichtspunkt der Gesellschaftsstruktur aus gesehen ist diese Volks- schicht jung: ihre Wurzeln reichen allerhöchstens bis unter die Mitte des vorigen Jahrhunderts, als die Befreiung von den wirtschaftlichen Fesseln tiichtigen Mán- nern den Weg freimachte, Handel und Ausfuhr zu betreiben, und rund um die Handelsplátze an der Kiiste reine Siedlungen von Fischern entstanden. Aber erst in den letzten Jahrzehnten kommt Leben und Bewegung in diese Dörfer, als an die Stelle der offenen Ruderboote die gedeckten und Motorboote treten und weiter- hin die neuzeitlich ausgeriisteten Fischdampfer auftauchen, mit denen der ganze Fischereibetrieb die Kennzeichen industriellen GroBbetriebes erhált. Aber mitten in diesem technischen Aufschwung lebt und arbeitet diese Kiistenbevölkerung in der Fischerei ihrer selbst unbewuJJt, bis in den letzten zehn Jahren junge Mánner die Ideen des Sozialismus rund um das Land tragen und auch diese Fischernester zu einem politischen BewuBtsein ihrer selbst bringen. Diese Fischerbevölkerung hat noch einen langen Weg bis zur Eroberung der politischen Rechte, die ihr entsprechend ihrer Anzahl in einem volksfreien Lande wie Island zukommt: ebenso hat sie bisher in der Schriftstellerei des Landes kaum eine Rolle gespielt. Höchstens ihre geistigen Fiihrer sind einmal beschrieben wor- den, und dann meist mit sehr verschiedenem Verstándnis. Sie selbst ist auBen vor geblieben: im grauen Schein der Urwuchsigkeit hat sie bisher vergeblich auf einen Mann gewartet, dessen Auge scharf genug war, sie zu erkennen, und dessen kúnst- lerische Begabung ausreichte, zu gestalten, was sein Auge gesehen. Aber Laxness kann beides, sehen und gestalten. Er zeichnet nicht alles nach, was er sieht. Er ist Ktinstler und wáhlt aus, er zeichnet mit harten, scharfen Stri- chen. Unter seiner Hand entsteht ein Bild der Wirklichkeit, ohne daB er natura- listisch photographiert. Ein ausgezeichneter Kritiker hat darúber gesagt, daB er nicht das Bild des Dorfes zeichne, wie es sei, sondern eine Deutung gebe. Doch unvergeBlich ist sein Bild dieses abgeschiedenen islándischen Fischerplatzes, der sich so ármlich und scheinbar ohne eine höhere Bestimmung an den wogenge- 22

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