Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Qupperneq 38
war mittlerweile angebrochen: 0 Uhr 10 Min. Das Gelande wurde etwas flacher,
aber trotzdem muBten sechs Leute ziehen. Zwanzig Minuten spáter öffnete sich
der Blick nach Westen imd Nordwesten iiber eine endlose weiBe Fláche, das In-
nere des Yatnajökull! Am Horizont im Nordwesten tauchte ein schwarzer Strich
auf: das Kverkfjöllgebirge. Die Sicht war ausgezeichnet. Um 2 Uhr beschlossen
wir, in etwa 1100 m Höhe zu lagern, nachdem 3,6 km auf dem Eise zuriickgelegt
waren. In 10- bzw. 12stiindiger áuBerster Arbeit war der Aufstieg gelungen!
Allein, ohne die Hilfe der Islánder hátten wir das nie fertiggebracht. Aber auch
unsere treuen Ereunde, die noch niemals soweit vorgedrungen, waren ermiidet
und wollten nach Hause. Wir lagerten, wo wir gerade standen, obwohl der Platz
sehr schrág war. Jetzt lag die Hauptarbeit an uns. Wir waren die Wirte. Das
erste Mal. Gepáck abladen, aufreiBen: Jacken, Ölzeug, Sácke, Handschuhe zum
Wármen verteilen war eins. Wir waren alle mehr oder weniger erhitzt und fingen
sogleich an zu frieren. Die Islánder hatten obendrein in ihren ungegerbten Eell-
schuhen nasse FiiBe. Zuerst hieB es nun irgendwelche Sitzgelegenheiten schaffen:
Segel und Zelt ausbreiten und vor allen Dingen Tee kochen. Dann gab es Brot und
Butter und Tee aus Bechern, Töpf en und der Bratpf anne. Die Islánder versicherten,
sie hátten noch niesogutenTeegetrunkenwiedenunsernausEis.Neubelebtund
f rischgestárkt beschlossen sie, vor der Riickkehr noch die etwas nördlich des Lagers
gelegene Eiskuppe zu besteigen und Ausschau zu halten. Wáhrenddessen machten
wir uns daran, dieLagerstátte fur die ersteNacht herzurichten. Mit demFeldspaten
muBte erst der Boden fiir das Zelt geebnet werden. Der Aufbau unseres kleinen Zel-
tes ging schnell vonstatten. Besondere Sorgfalt wurde auf die ,,Betten“ verwandt.
AIs Unterlage auf den Gummiboden kam das Ölzeug, der Kleppermantel, ein,
zwei Sácke, dann unsere dicken Jagdjoppenund darúber erst die Schaffellschlaf-
sácke. Die úbrigen Ausrústungsgegenstánde wurden zum Schlitten zusammenge-
tragen, ohne sie jedochbesonderszuverzurren. Die Skierinden Schnee gesteckt.
Wir waren gerade mit den letzten Yorbereitungen beendet, als die Islánder von ihrer
BesteigungdesEisberges, densie„Godahnúkur‘t:l nannten, zurúckkehrten. Leuch-
tenden Auges erzáhlten sie, daB man dort oben halb Island sáhe. Dann schieden
sie. Es wurde nicht viel gesprochen. Gute Fahrt und behút Euch Gott. Ein kráftiger
Hándedruck und langer, groBer Blick eines jeden. Dannwandtensie sichheimwárts.
Ein paar Schritte gingen wir mit und blickten ihnen nach. Dann waren wir allein!
Es war fast 5 Uhr geworden. Todmúde und zerschlagen krochen wir in unsere
Fellsácke. Die erste Nacht auf dem Eise! Zum Schlafen bin ich nicht gekommen.
Vor Úbermúdung und Anstrengung war alles wach in mir. Die Gedanken gingen
hin und her. Dazu kam ein ganz eigenartiges Gefúhl des Unbekannten. Wir lebten
mit einem Male in einer ganz neuen Umwelt. In Schnee und Eis, fern von den Be-
1 Göttergipfel.
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