Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Side 39
hausungen der Menschen. Wir waren fiir die náchste Zeit ganz auf uns selbst an-
gewiesen. Wie wird sich das Zusammenleben und die Fahrt gestalten ? Ein Spa-
ziergang iiher das Eis wiirde es nicht werden. Dariiber waren wir uns beide klar
gewesen. Und der Aufstieg hatte uns bereits gezeigt, dafi wir mit unserer ganzen
Ausriistung keinen Schritt vorwartskommen wiirden. Es muBte also schon gleich
hier ein Depot angelegt werden. Aber dadurch wurde der Weg bedeutend ver-
gröBert, zumal wir auch nach Möglichkeit den gleichen Abstieg wáhlen wollten.
Wie weit wiirden wir táglich vordringen können ? Das war die Hauptfrage. Und
mit dieser grofien Unbekannten, die von einer Reihe von Faktoren, dem Wetter,
der Eis- und Bodenbeschaffenheit, unserer Gesundheit und dergleichen abhing,
lieJ3 sich kein genauer Marschplan aufstellen. Fest lagen nur die Ziele: der Schwe-
denkrater im Westen, das Kverkfjöllgebirge im Nordwesten und das nördliche
Moránenvorlandmit dem Inselberg Snaefell. Bei einem durchschnittlichenMarsch
von nur 10 km fiir den Tag wiirde mit lötágigem Proviant die Reise zu den
Kverkfjöll durchfiihrbar sein. Der Weg bis zu dem Schwedenkrater hingegen war
lánger und wiirde daher nur bei gröBeren Tagesleistungen und gutem Wetter von
hier aus möglich sein. Andererseits muBten sich aber eher Abstiegsmöglichkeiten
nach dem Siidrand mit seinen Einzelhöfen bieten. Aber da waren wieder die was-
serreichen reiBenden Gletscherfliisse. Und wiirde das Wetter stets so herrlich
bleiben wie in den beiden letzten Tagen 1 Mit 2- bis 3tágigem Schneesturm war
selbst in dieser hellsten Zeit zu rechnen. Diese und áhnliche Erwágimgen plagten
mich immer wieder, ehe ich in ein Dösen verfiel, wáhrend die tiefen regelmáBigen
Atemziige meines Kameraden einen anscheinend guten Schlaf verrieten.
Gegen 11 Uhr zwang uns knurrender Hunger zum Aufstehen. Die Sonne stand
hoch am Himmel. Es war kaum möglich mit bloBen Augen aus dem Zelt in das
BlendendweiB hinauszusehen. Es war warm. Die Sonne brannte richtig. Das Zelt
stand ganz schlaff, die Pflöcke staken locker in Schmelzlöchern. Unser Ankleiden
verlegten wir nach drauBen und salbten Oberkörper und Gesicht griindlich mit
Fett ein. Welch herrliches Gefúhl, mit den bloBen FiiBen in den weiehen Firn zu
stapfen. Ehe wir uns warmes Essen bereiten konnten, war noch mancherlei La-
gerarbeit zu verrichten. Vor allen Dingen muBten die Stiefel tiichtig eingefettet,
die notwendigsten Gebrauchsgegenstánde und Lebensmittel aus unseren Sachen
hervorgesucht werden, bis alles seinen richtigenPlatz hatte. Zwischendurch fiihrte
ich meine Messungen aus. Die niedrigste Nachttemperatur war nur —0,1 Grad
gewesen, wáhrend es jetzt um 12 Uhr mittags -f-13,5 Grad in der Sonne war. Das
Schleuderthermometer wies +7,5 Grad auf. Um 14 Uhr war es an der Zeltwand
sogar 22,5 Grad warm. Der Firn taute an der Oberfláche. Erst in 8 cm Tiefe
zeigte sich 0,8 Grad Kálte. Um diese groBe Wármeenergie der Sonne nicht ganz
Ungenutzt zu lassen und um vor allen Dingen Petroleum zu sparen, hatten wir
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