Mitteilungen der Islandfreunde - 01.04.1934, Qupperneq 58
Gudmundur Bárdarson ist weit iiber Islands Landsteine hinaus bekannt durch
seine — meist in deutscher Sprache veröffentlichten — Schriften iiber die Natur
seines Heimatlandes. Was ihn aber dem Andenken in den Iierzen seiner Freunde
in Deutschland vor allem empfiehlt, ist die grofie Sympathie, die er allem Deut-
schen entgegenbrachte, ist die Gastfreundschaft, mit der er seit der Griindung
des islándisch-deutschen Studentenaustauschs deutsche Studenten in sein Heim
aufnahm, ist die aufopfernde Bereitwilligkeit, mit der er jeden deutschen Island-
fahrer, der an seine Tiir pochte, unterstiitzte und ihm, wenn’s not tat, sogar f inan-
zielle Mittel aus islándischen Quellen verschaffte.
Das alles soll dem Verstorbenen unvergessen sein. Seine wissenschaftlichen
Werke werden hoffentlich noch auf eine lange Zukunft hin fiir sich selbst sprechen.
Reykjavík Max Keil
Finnur Jónsson f
Mit Finnur Jónsson ist ein Gelehrter dahingegangen, der Jahrzehnte hindurch
der Erforschung der altnordischen Sprache und ihres Schrifttums das Gepráge
gegeben hat. Er ist Islánder, geboren den 29. Mai 1859 zu Akureyri, und die
Eigenschaften des islándischen Gelehrten, wie wir sie seit Ari þorgilsson kennen,
Treue im Sammeln, Treue im Urteil und in der Darstellung kennzeichnen ihn. Er
ist der getreue Hiiter der Handschriftenschátze Arni Magnússons und ihr uner-
miidlicher Herausgeber. Dadurch hat er uns unermeBliche Schátze bequem zur
Hand gelegt. Ihm und dem Runologen Ludwig Wimmer verdanken wir es, daB
wir die Handschriften der Liederedda und von Arislslánderbuch sozusagen
im Original auf unserem Schreibtisch beniitzen können (phototypisch wiederge-
geben). In den letzten Jahren ist Finnur auch daran gegangen, kritische Ausgaben
von Prosawerken herzustellen; so vom Buch von der Besiedelung Islands
undvonSnorrisEdda.FriihhatersodieLiederedda gestaltet. V ergleichende
Sprachwissenschaft und Metrik, zwei recht deutsche Wissenschaftszweige, gaben
ihm scharfe Waffen in die Hand. Nach jahrelangen Vorbereitungen — schon seine
Dissertation von 1884 handelt iiber Skalden — brachte er ab 1908 das groBe
Corpus der gesamten Skaldendichtung heraus und begleitete das Werk mit
dem neugestalteten Wörterbuch der altnordischen Dichtersprache, also
einschlieBlich Edda. Hier, in den Deutungen der oft ungemein schwierigen skal-
dischen Umschreibungen, liegt wohl die miihevollste Erklárarbeit Finns; sie ist
auf jahrzehntelangen Versuchen vielfach islándischer Gelehrter aufgebaut. In den
drei Bánden seiner altnorwegischen und altislándischen Literaturge-
schichte faBte er die Fiille seiner Arbeiten iiber das altwestnordische Schrifttum
zusammen.
56