Mitteilungen der Islandfreunde - 01.12.1935, Blaðsíða 14

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fiir sich wird betrachten mussen. tíbrigens ist nun die Herkunft des islandischen Yolkes in dem Mafie, wie es die Norweger in diesem Streite der Welt weismachen möchten, nicht ohne weiteres unbestritten. Wohl sind die Grúnder des islandi- schen Volkes aus Norwegen ausgewandert, aber weitaus der gröBte Teil dieser Auswanderer nahm den Umweg úber England, Schottland und Irland, auf wel- chen Stationen sie oftmals recht erhebliche Unterbrechungen ihrer Fahrt mach- ten, ja—viele von ihnenlieBen sich dort erst nieder, wurden mit Geschlechtern aus dem Wirtsvolk verschwagert und zogen erst spáter mit zahlreicher Verwand- tenschar britischer Verwandten weiter nach Island. Diese Rasten dort im Westen haben spáter unverkennbare Spuren in der Physiognomie des islán- dischen Volkes hinterlassen. Ja, bereits sehr frúh, schon lange, hevor die Nie- derschrift der islándischen Werke beginnt, macht sich beim islándischen Volke ein starker westeuropáischer Einschlag bemerkbar, der es von den úbrigen nor- dischen Völkern wesentlich unterscheidet. Besonders deutlich tritt dies zutage in der altislándischen Lyrik, in der sogenannten Skaldenpoesie, die, soweit die tíber- lieferungen darúber aufkláren, in ihrer leichtbeschwingten, úberaus graziösen Rhythmik und seltsam kunstvollen Eormenspielerei innerhalb der nordischen Poesie dieser Zeit völlig abgesondert dasteht. Ubrigens hat diese ausgesprochen westeuropáische Eigenschaft unsere Lyrik zu jeder Zeit gekennzeichnet, jeden- falls soweit sie von dem Einflusse aus Skandinavien freiblieb. Unsere Volkslyrik, also die Dichtung, die am reinsten Islands eigene Tradition bewahrt, ist ja heute der schottischen und englischen Lyrik formal weit áhnlicher als jeder anderen. Aber dieser westeuropáische Wesenszug áuBert sich auch sonst in mancher Weise schon bei jenen áltesten Generationen des islándischen Volkes. Ich erinnere hier bloB an ein einziges Beispiel, das in diesem Zusammenhange nicht unwichtig ist. Zu der Zeit, als das islándische Schrifttum entstand, waren die Islánder schon lángst tadellos fromme Christen geworden, was sie aber weder daran gehindert hat, ihre heidnischen Mythen und Sagen zu verfassen, noch auch daran, deren Geist durch gröBere Objektivitát in schier erstaunlichem MaBe jeder christlichen Trúbung fernzuhalten. Diese demokratische Zwanglosigkeit in geistigen Dingen in einer so intoleranten Zeit scheint mir eher auf einen britischen Charakterzug hinzudeuten als etwa auf einen rein nordischen; es ist jedenfalls ein sehr islán- discher Charakterzug und verdient als solcher mit aller Achtung erwáhnt zu wer- den, denn ihm haben wir wohl hauptsáchlich das Gltick zu verdanken, daB diese alten klassischen Werke úberhaupt auf die Welt kamen. Aber sehen wir auch von allen nachweisbar synthetischen Wesenszúgen ab, die das islándische Volk und seine Leistung von dem úbrigen Norden so typisch trennen, so bleibt seine Sonderstellung, sein voller Anspruch als kulturelle Ein- zelerscheinung dennoch unbestritten; denn dieses Schrifttum ist auch in seiner 50
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