Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1943, Qupperneq 46
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LE NORD
satz der finnischen Bauern und der finnischen Industriellen, wie
auch der Arbeiter selbst, die alle die finnische Wirtschaft ziel-
bewusst und vielseitig entwickelten, so dass kurz vor dem Win-
terkriege der Lebensstandard in Finnland zu den höchsten in
Europa gehörte.
Die Lebensfahigkeit der finnischen Wirtschaft war auch die
Grundlage fiir die erfolgreiche Sozialpolitik des selbstándigen
Finnland. Sie ermöglichte es dem Staate, eine grossziigige soziale
Aufbauarbeit in Angriff zu nehmen. Nach der Durchfiihrung
des Háuslergesetzes und nach Beginn der staatlichen Kolonisa-
tionsmassnahmen wuchs die Zahl der selbstándigen Bauernhöfe.
Unfall-, Alters- und Arbeitsunfáhigkeitsversicherung wurde ein-
gefiihrt. Hygiene und Krankenpflege entwickelten sich gewaltig,
desgleichen die staatliche Fiirsorge. Yor dem Winterkriege ver-
wendete der finnische Staat alljáhrlich iiber eine Milliarde finni-
sche Mark fiir soziale Zwecke. Die Sozialpolitik stand dermassen
im Vordergrunde, dass sie sogar den Riistungsbedarf in den
Schatten stellte. Trotz alledem war das allgemeine Interesse an
sozialen Fragen sehr gering. Erst das durch die Erfahrungen der
letzten Kriege vertiefte persönliche Verstándnis verlieh den so-
zialen Reformen die nötige Elastizitát.
Die Griinde dieser sozialen Umwandlung sind mannigfach.
Die vor dem Winterkriege abgehaltenen Sondermanöver stellten
die Mánner der verschiedenen Volksschichten unter gleiche Le-
bensbedingungen, was zur Folge hatte, dass der eine die Uber-
zeugung des anderen verstehen und achten lernte. Wáhrend der
Manöver und der darauf folgenden Kriegsjahre gingen vielen
die Augen auf fiir die Mángel in den sozialen Einrichtungen.
Wenn man die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der unbemittel-
ten Waffenbriider aus der Náhe betrachtete, konnte man nicht
umhin, die Berechtigung ihrer Reformbestrebungen anzuerken-
nen. Im Kriege, im Waffenbriiderbunde und in sozialer Fursorge-
arbeit kamen diejenigen, welche selbst keine sozialen Probleme,
sondern nur die Existenz derselben kannten, mit Volksgenossen,
die mit diesen Problemen selber kámpfen mussten, in nahe Be-
riihrung. So wurden in weiten Volkskreisen die Voraussetzungen
fiir eine Bescháftigung mit sozialen Fragen und fiir eine neue
soziale Denkart geschaffen. Dabei kam man zu der Einsicht, dass
viele friiheren Gegensátze auf Unkenntnis oder auf Missverstánd-
nissen beruhten. Man verstand allmáhlich, dass verschiedenartige
Lebensbedingungen, Bediirfnisse und Erwerbsmöglichkeiten die