Gripla - 01.01.1993, Page 228
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asien nicht kannte, oder ob es seiner kritischen Methode widersprach,
ein Sekundarzitat zu verwenden, kann hier nicht entschieden werden.26
Fiir das Verhaltnis von Nikulás saga und Stjórn ergibt sich aus der
Etablierung dieser konkreten neuen Quelle der Nikulás saga eine Be-
statigung von Jakob Benediktssons Beobachtung, daB der Vergleich
dieser Textstellen keinerlei Grund fiir die Annahme eines Zusammen-
hangs zwischen den beiden Texten und damit fur die Ánderung der
Datierung gibt.
Aus der neugefundenen Quelle der Nikulás saga ergeben sich je-
doch Neuerungen fiir unser Wissen um altnordische enzyklopadische
Texte und deren Verwendung. Von den fiinf verschiedenen erhaltenen
Kosmographien sind namlich vier erst in Handschriften des 14. Jahr-
hunderts, eine weitere (vielleicht jungere) in einer Handschrift des 17.
Jahrhunderts erhalten. Die erwahnte Kosmographie in AM 764 4to als
Quelle der Nikulás saga dtirfte hier Mitte des 14. Jahrhunderts zu Per-
gament gebracht worden sein, weist aber die erwahnten Interpolatio-
nen auf, die in der von Bergr verwendeten Handschrift derselben Kos-
mographie noch fehlten. Abgesehen davon war der Text der ihm vor-
liegenden Handschrift aber identisch mit dem in 764 erhaltenen Text,
also deutlich unterschieden von einer der anderen Kosmographien,
namlich der in AM 194 8vo und AM 736 I 4to erhaltenen, welche zwar
letztlich auf dieselbe Quelle zuriickgeht wie der Text in 764 und Bergs
Handschrift und damit eng verwandt ist (und auch einige identische
Textpassagen enthalt), aber dennoch eine etwas umfanglichere und
abweichende Textfassung aufweist. Da aber die Handschrift 736 I be-
reits aus der Zeit um 1300 stammt, muB die komplexe Textgeschichte
der Kosmographien (die Erweiterungen und Umarbeitungen in 736 I
und 194, die kompilatorische Aufschwellung des Texts in der Hauks-
bók und ihrer Quelle, vielleicht auch die Interpolation in der Hand-
schrift 764 oder deren Quelle) bereits ins 13. Jahrhundert verlegt wer-
den. Alle erwahnten Handschriften enthalten zudem auBer diesen
Kosmographien auch noch weiteres enzyklopádisches Schrifttum vor-
wiegend kosmographisch-naturkundlicher Ausrichtung, das in einigen
(anderen) Handschriften auch das Itinerar des Abts Nikulás Bergsson
von Þverá umfaBt; dieses aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammen-
26 Vgl. dazu auch R. Astás, a. a. O., pp. 137-139 und 314-325.