Saga - 1968, Síða 82
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ODD DIDHIKSEN
des Parlamentarismus nicht einheitlich war. Wáhrend Páll Briem und
Jón A. Hjaltalín, der fiihrende Mann unter den königlichen Abgeord-
neten wáhrend der Kompromissverhandlungen, fur beide Kammern
Gleichberechtigung forderten, betonte Jón Ölafsson, dass die Zweite
Kammer („neðri deild") eine Vorrangstellung einzunehmen habe. Den
Verzicht auf das unbedingte Verbot provisorischer Finanzgesetze sieht
der Verfasser als ein wichtiges Glied der Kompromisspolitik von 1889
an und deutet diesen Verzicht als Ausdruck einer Politik der kleinen
Schritte. Die Idealforderungen wurden auf unbestimmte Zeit ver-
schoben, um soviel Selbstándigkeit zu gewinnen, wie unter den in Dáne-
mark herrschenden Verháltnissen möglich war. Die offene Vorberei-
tung des parlamentarischen Regierungssystems gab man auf und be-
gniigte sich mit einem Erste-Kammer-„Parlamentarismus“, der offen-
sichtlich dem in Dánemark herrschenden System entsprach. Allerdings
hatte man sich gegen die Ubertragung dánischer Zustánde durch die
Bestimmungen gegen provisorische Gesetzgebung geschiitzt. Die Mög-
lichkeit eines islándischen „Provisorismus" war dadurch ausgeschlos-
sen worden.
„Der Kompromiss", der auf dem Althing von 1889 nicht zu ende
diskutiert worden war, fiihrte in der Zeit zwischen den Thingversamm-
lungen zu einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzung. Da die
Kompromissanhánger die Reykjaviker Zeitungen nahezu allein be-
herrschten, hatten sie einen sehr starken Riickhalt in der Presse. Das
Hauptorgan der Gegner des „Kompromisses" war Skúli Thoroddsens
Blatt „Þjóðviljinn" in Isafjörður. Es lehnte den „Kompromiss" vor
allem deshalb ab, weil er einer parlamentarischen Regierung im Wege
stand. Auf der anderen Seite stand „lsafold“, dessen Redakteur, Björn
Jónsson, sich erst nach einigem Zögern dem „Kompromiss" anschloss.
Gleichzeitig trat Björn Jónsson aber auch eindeutig fiir eine parla-
mentarische Regierung ein. Er wunschte aus diesem Grund eine
weniger konservative Erste Kammer. Das Wort Parlamentarismus
(„þingræði") tauchte in der Diskussion jetzt viel háufiger auf als
fruher. Es wurde sowohl von den „Kompromisslern" als auch von
ihren Gegnern benutzt. Allerdings war die Bedeutung dieses Begriffs
oft recht unklar. Dennoch wird deutlich sichtbar: ein Politiker, der
die Verfassungsfrage diskutieren wollte, konnte die Forderung nach
Parlamentarismus kaum mehr ubergehen. Benedikt Sveinsson, der
sich noch 1887 scharf von jeder Gleichsetzung des islándischen Ver-
fassungskampfes mit dem gleichzeitigen dánischen distanziert hatte,
bekannte 1890, dass Parlamentarismus das gemeinsame Ziel der Dánen
und der Islánder sei. Doch bestritt er auch jetzt noch die Notwendig-
keit besonderer konstitutioneller Garantien fur die parlamentarische
Regierungsform — wie z. B. das Verbot provisorischer Finanzgesetze.
Die Bewilligungsverweigerung bezog er also nicht als áusserstes
politisch-parlamentarisches Machtmittel in seine Uberlegungen ein-
Dagegen trat er eifrig fiir konservative Kautelen — wie das Zwei-
kammersystem — ein und zeigte deutlich, dass er unter Parlamenta-
rismus keineswegs eine parteigebundene Majoritátsregierung verstand.