Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1985, Blaðsíða 171
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terbuch tut; die konkrete Bedeutung von pidna wiirde zuriicktreten,
es bliebe ein abgeblasstes “vergehen”. Eine umfassendere Interpreta-
tion drångt sich jedoch auf, wenn man die voraufgehende Langzeile
berucksichtigt:
Ghv. 20,5/6 megi brenna briost bglvafult eldr
“Feuer” (Hitze) und “schmelzen” sind in diesen Versen bewusst
einander gegeniibergestellt. In Thule l5 wird dieser Zusammenhang
durch die Setzung eines Doppelpunkts vor 20,7/8 deutlich gemacht.
Da sorgir - Kummer, Schmerzen - mit pidna verbunden ist, muss
dieser Ausdruck bildlich als Eis im Herzen gefasst werden, das durch
das Feuer zum Schmelzen gebracht wird, eine Vorstellung, die sonst in
der Edda und allgemein im entsprechenden Altnordischen nicht vor-
kommt. Wohl wird, wie Bugge in Zusammenhang mit Sg. 8,3 in PBB
erwåhnt, im Altenglischen Schmerz mit eisiger Landschaft verbunden;
der Schmerz selbst wird jedoch nicht als Eis bezeichnet. Die altengli-
sche Elegie kann damit keine Hilfe fur die Erklårung der Edda-Stelle
geben. Hier kann uns jedoch die spåtantike lateinische geistliche Lite-
ratur helfen; sie kennt einen Topos “glades” (Eis), der die innere
Vereisung und Erstarrung eines Menschen versinnbildlicht (in Verbin-
dung mit glades wird auch rigor verwendet).6 So spricht z.B. Augustin
in den Soliloquien, 2. Buch, Kap. 14, Sp. 897,537 vom antiqua glade
duratus animae stupor, und im Epos “De vita sancti Martini episcopi”
des Paulinus von Périgueux heisst es im fiinften Buch S. 107,158 et
gladem cordis Martini oratio soluat. In diesen beiden Zitaten ist gla-
des ziemlich generell gebraucht; der Ausdruck kann jedoch auch prå-
zisiert sein, in seinen “Enarrationes in psalmos”, 2. Teil, 26, Sp.
1934,429 redet z.B. Augustin vom glades stultitiae, und bei Ennodius
findet sich gar adflictionis glades: Eis der Bekiimmernis, Sorge. Die
Stelle ist enthalten in der Vorrede zu einem Gedicht aus dem ersten
5 Thule. Jena 1912, 1. Bd., S. 103.
6 Erwåhnung der folgenden Zitate nach: Thesaurus linguae latinae. Lipsiae 1925-
1934, Bd. 6,2, Sp. 2003.
7 PL 32. Nach Hanspeter Muller: Aurelius Augustinus, Soliloquia de immortalitate
animae, Ziirich 1954 (Dissertation), S. 45, wurden die Soliloquien zwischen Bekehrung
und Taufe geschrieben.
8 Paulini Petricordiae carmina rec. M. Petschenig. CSEL 16, Vindobonae 1888.
9 PL 37.
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