Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1985, Blaðsíða 173
165
diesem Zusammenhang z.B. an eine Stelle aus den “Gregoriana” des
Garnerus erinnern: 11. Buch, 1. Kap., Sp. 35513 Ignis consumens deus
dicitur quia ab omni corde quod replet torporem frigoris excutit. Diese
Vorstellung findet sich bereits bei Augustin, in seinen spåteren Schrif-
ten, so etwa in einem unten angefiihrten Zitat14, wo die das Eis
schmelzende Wårme durch flante austro repråsentiert wird. Der Ver-
fasser unserer Ghv.-Strophe hat diese Vorstellung durch die Einbe-
ziehung des Scheiterhaufens kongenial ins Weltliche gedreht; verråte-
risch bleibt nur die doch ungewohnliche Vorstellung vom schmelzen-
den Schmerz; auf dem Hintergrund der geistlichen Literatur ist der
Grundzusammenhang von Feuer und Schmelzen dennoch klar. Das ist
keine Zufallsverbindung, die sich durch die Verwendung des Scheiter-
haufens ergeben hat, sondern diese Vorstellung ist eine fur den Verfas-
ser von allem Anfang an gegebene Einheit, die er eindrucklich mit
dem - ebenfalls zentralen - Motiv der gemeinsamen Verbrennung -
hier nun mit Gubrun anstelle von Brynhildr wie in der Skamma -
verbunden hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch daran,
welche Rolle der Schmerz - mit Ausdriicken wie sorg, harmr, tregi
usw. - in der heroischen Elegie spielt. Wenn im iibrigen der Verfasser
der Ghv.-Strophe nur vom Schmelzen des Schmerzes spricht und nicht
vom Eis des Schmerzes, ist zu bedenken, dass eine solche Ausdrucks-
weise wie bei Ennodius hochrhetorisch ist und nicht in ein eddisches
Lied passt. Der Verfasser hat das ubernommene Bild mit sicherem
Stilgefiihl vereinfacht und so dem Charakter seines Liedes angepasst.
Bezeichnenderweise handelt es sich bei der besprochenen Ghv.-
Strophe um Gubrun - sie redet -, Gubrun, fur die in Sg.24,7/8, wie
dargelegt wurde15, ein Zug aus einem Marienmirakel herangezogen
wurde und fur deren Darstellung in den heroischen Elegien, wie auch
gezeigt wurde16, ebenfalls Einfluss der geistlichen Literatur anzuneh-
men ist. Ghv. gehort zur selben Schicht jiingerer Lieder wie die Gud-
runlieder, Hlr., Od. und die Skamma.
Was weiter die Kenntnis der besprochenen spåtantiken Vorstellung
13 PL 193.
14 S.S. 172.
15 ZfdPh 101 (1982) S. 321ff.
16 Von mir gehaltener Vortrag, der - leider unkorrigiert - in den Akten der 5. Ar-
beitstagung der Skandinavisten des deutschen Sprachgebiets (16.8. - 22.8. 1981 in
Kungålv), Verlag Dr. Kretschmer, St. Augustin 1983 erschienen ist.