Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1985, Blaðsíða 185
177
herumstromt. Ein wichtiger Unterschied besteht auch darin, dass
Thomas die einzelnen Ausdriicke und Wendungen regelrecht erklårt,
also didaktisch vorgeht, so 63,27ff. (rechte Spalte): glaciem et dura
relidit: conscientiae torporem-, Anders der Islander, er baut den
Ausdruck jokull, zusammen mit hardydgis, vollkommen in seine me-
taphorische Darstellung ein. Wenn er brådna “auftauen”, verwendet,
wie es in den angefiihrten Zitaten aus dem Ecclesiasticus und Augu-
stin auch der Fail ist (doch trans.), wåhrend Thomas relidere77 be-
niitzt, mag man dem vielleicht nicht allzu grosses Gewicht beimessen.
Wichtiger ist in diesem Zusammenhang die damit verbundene Aussa-
ge von den durch die fehlende Liebe zu Gott erkalteten Herzen
(60,10), eine Formulierung, die ganz besonders und immer wieder in
der von Augustin entwickelten Theologie der Kålte und des Eises
benutzt wird, sagt er doch beispielsweise: Enarrationes in psalmum
147, Kap. 23, S. 1932 sic frigescente charitate decidit humana natura in
has terras78 (Augustin spricht hier zwar vom Schnee, doch ist dies ein
Åquivalent fur Eis). Aber mehr noch, der Begriff des hardydgis jokull
låsst sich auf Augustin zuriickfiihren: In ‘De baptismo contra Donati-
stas’, 5. Buch, Kap. 6, S. 180 heisst es: duritiae rigorem glaciemque79;
hardydgis jokull entspricht duritiae glacies. Zwar liegt bei Augustin ein
Hendiadyoin80 vor; wenn der Islander diese lateinische Stilfigur nicht
77 Frau Dr. Th. Payr (Mittellat. Worterbuch, Munchen) gab mir aut meine Frage
nach der Bedeutung von relidere freundlicherweise folgende Auskunft: Sofern die Verse
von Thomas ad hoc fur diese allegorische Auslegung gedichtet wurden (was sie bezwei-
felt), wiirde sie bei relidere an “aufbrechen” denken; stunde aber hinter diesen Versen
z.B. eine Tradition wie die von der siegreichen Macht der Sonne iiber die finsteren
Måchte der Welt, so wåre relidere als “zuriickschlagen, vertreiben” zu fassen (vgl. z.B.
COD. Udalr. 282,57 rigidas larve baratralis buccas elide, vim pelle dolumque relide).
Pitra (vgl. Anm. 49) Bd. 2, S. 63, meint, dass die Verse vielleicht von Thomas selbst
stammen. F. Ohly, Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, in: ZfdA. 89(1958) S.
8 schreibt die Verse Thomas zu. (Bei Hans Walther: Initia carminum ac versuum medii
aevi posterioris Latinorum2, Gottingen 1969, ist die Strophe erwahnt, 6962, mit Hinweis
auf den oben erwåhnten Aufsatz von Ohly; bei Dieter Schaller und Ewald Konsgen:
Initia carminum Latinorum saeculo undecimo antiquorum, Gottingen 1977, ist sie nicht
erwahnt.)
78 PL 37.
79 PL 43.
80 Zum Begriff des Hendiadyoins vergleiche man: Leumann-Hofmann-Szantyr: La-
teinische Grammatik. Munchen 1965 , 2. Bd., S. 782. Herrn W. Batschelet-Massini in
Basel verdanke ich verschiedene freundliche Hinweise beziiglich Augustin und antiker
Grammatik und Stilistik.
12 Opuscula VIII