Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1944, Page 236
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LE NORD
Dies Ziel wurde erreicht, wenn der Wert der Ausfuhr den der
Einfuhr íiberstieg, mit anderen Worten dadurch, dass das betref-
fende Land einen Exportíiberschuss aufweisen konnte. In diesem
Fall wurde die Handelsbilanz als giinstig bezeichnet, ein Aus-
druck, der sich in der Sprache bis auf unsere Zeit erhalten hat.
Auf den merkantilistischen Gedankengang erfolgte bei dem
Durchbruch des Industrialismus eine Reaktion. Jeder Eingriff
in die freie wirtschaftliche Entwickelung wurde als unheilvoll
angesehen, und deshalb sollte auch der internationale Handels-
verkehr sich in voller Freiheit ohne jedwede Störung von Seiten
des Staates entfalten können. An der Spitze dieser Entwickelung
stand Grossbritannien; eine Reihe westeuropaischer Staaten folg-
ten, besonders Holland und Dánemark. Den Höhepunkt erreichte
der Freihandel i. J. 1860 durch den Abschluss des sogenannten
Cobden-Vertrags zwischen England und Frankreich. Dieser Ver-
trag bildete den Kern einer Reihe anderer Handelsabkommen,
die zusammen das westeuropáische Vertragssystem ausmachten.
Die Freihandelsperiode fand indes einen jáhen Abschluss durch
den deutsch-französischen Krieg 1870/71, durch welchen der west-
europáische Einfluss verringert wurde, indem Deutschlands vor-
herrschende Stellung auf dem Festlande sich mehr und mehr gel-
tend machte.
Die damals noch riickstándige deutsche Industrie suchte jetzt
die Konkurrenten einzuholen und bediente sich zu dem Ende
einer aktiven Handelspolitik in Form von Schutz- oder »Er-
ziehungszöllen«, fxir die der grosse Handelspolitiker Fr. List den
theoretischen Hintergrund geschaffen hatte. Die Zollpolitik nahm
einen mehr raffinierten Charakter an. Höchst- und Mindesttarif-
sátze wurden eingefiihrt, um den Vertragspartnern gegeniiber als
Strafe oder Belohnung Anwendung zu finden. Der Weltkrieg
brachte eine Reihe weiterer zollpolitischer Neuschöpfungen:
Schleuderausfuhr-, Wáhrungs-, Goldaufschláge usw. Dazu kam,
dass infolge der in den Friedensvertrágen von 1919 und 1920
enthaltenen territorialen Bestimmungen in Europa 11000 km neue
Zollgrenzen entstanden waren. Die nationale Industrie der neuen
Staaten musste natiirlich durch besondere Veranstaltungen ge-
schiitzt werden. Etwas áhnliches war iibrigens auch in verschie-
denen iiberseeischen Lándern der Fall, in denen die Industrie sich
wáhrend des Krieges unabhángig gemacht hatte und jetzt den ge-
wonnenen Boden zu behaupten wiinschte.
Bis zum Jahre 1930 war die Handelspolitik in ihren verschie-