Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1985, Blaðsíða 179
171
geht nicht an, entgegen der richtigen Bedeutung des Wortes, ilir z.B.
mit “Gram” wiederzugeben, wie das in den oben erwåhnten Versen
aus Thule geschehen ist. Die von Bugge erwåhnte Deutung ist auch
deshalb abzulehnen. Auf das Problem, dass Brynhildr hier als “voll
des Bosen” bezeichnet wird, werde ich weiter unten eingehen. Wie
låsst sich nun die iibertragene Verwendung von jokull und Iss im Sinne
des Bosen in Sg.8,3 erklåren? Wie erwåhnt lassen uns die Worterbu-
cher im Stich. Abzulehnen ist auch eine ad-hoc-Bildung; es ist nicht
einzusehen, wieso man spontan auf den Gedanken kommen solite, Iss
und jokull als metaphorischen Ausdruck fur das Bose zu gebrauchen,
um so weniger, als es tatsachlich die iibertragene Verwendung von
jokull im Islåndischen gibt, eben in der geistlichen Literatur. Mit ihrer
Verwendung von jokull befasse ich mich zunåchst.
In der Mariu saga44 heisst es z.B. 617,4 at brott dregz hinn fyrri
iokvll ok hardydgi: dass das friihere Eis und die Verstocktheit ver-
schwinden. Die Rede ist von einem Ritter, der ein schlechtes Leben
gefiihrt hatte und der nun gebessert wird. Noch håufiger wird jokull45
mit dem vorangestellten Genitiv von hardydgi beniitzt, so Mar.s.
60,14 ok brådnar hardydgisiokullinn (ebenso 399,14): das Eis der
Verstockung schmelzt. In zwei weiteren Stellen46 ist das Bild noch
stårker ausgebaut: Mar.s. 170,12 und 466,12: frosin af stinnvm hard-
ydgisiokli: gefroren (die Herzen) vom harten Eis der Verstockung.
Auch in der zweiten (jiingeren) Thomas saga erkibyskups47 ist hard-
ydgis jokull beniitzt: 384,25f. at bræda fann hardydgisiokul, sem hann
berr i sinu briosti til Thomam erchibyskups.48
Der metaphorische Gebrauch von jokull in den angefiihrten Stellen
ist - wie zu erwarten - nicht etwas speziell Islåndisches; die iibertrage-
ne Verwendung von glades findet sich schon in der patristischen Lite-
ratur und durch das ganze Mittelalter hindurch. Fur die nåhere Defini-
tion kann man z.B. auf Melito49 hinweisen: glades: duritia peccato-
44 Mariu saga, hg. v. C.R. Unger, Christiania 1871, Bd. 1 und 2.
45 Zum Bedeutungsgehalt von jokull s. auch S. 187f.
46 In der dritten Version, S. 1141, 24ff., fehit dieser Passus.
47 Thomas saga erkibyskups, hg.v. C.R. Unger, Christiania 1869.
48 Hier liegt eine leichte Niiancierung vor: Das Eis der Verstocktheit hat nicht Bezug
auf Gott, sondern auf den Erzbischof Thomas (einen spateren Heiligen).
49 Spicilegium Solesmense complectens sanctorum patrum scriptorumque ecclesiasti-
corum anecdota hactenus opera, hg.v. J.B. Pitra, Paris 1855, Bd.2, S. 85.