Milli mála - 01.06.2016, Blaðsíða 253
WOLF WUCHERPFENNIG
Milli mála 8/2016 253
Wolf Wucherpfennig
Kunst und Vandalismus im
Zeichen der Moderne1
In memoriam Uffe Hansen
1. Preludio
Gemeinhin versteht man unter Vandalismus die blindwütige Sachbeschädigung, im engeren Sinn das Zerstören von
Kunstwerken und Kulturschätzen. Wie nun, wenn die ganze
Menschheitsgeschichte mehr ein Zerstörungs- als ein Aufbauprozess
gewesen wäre, so wie in Hermann Kasacks Roman Die Stadt hinter
dem Strom? Hier, im allegorischen Jenseits, arbeiten zwei Fabriken
gegeneinander; eine zerstört die würfelförmigen Kunststeine, wel-
che die andere produziert, die andere produziert aus dem Schutt
erneut Steine. Allmählich gewinnt die Zerstörung die Oberhand.
Nach dieser Allegorie wäre die Weltgeschichte nichts als ein
Prozess des Vandalismus. Ist es nicht tatsächlich an der Zeit,
Geschichte so zu beschreiben? Nicht als Fortschritt, sondern als die
zunehmende Zerstörung von Natur und die wahrscheinlich endgül-
tige der menschlichen Zivilisation. Es fehlt jetzt nur noch ein
Zünder, vergleichbar der Ermordung eines Erzherzogs irgendwo
auf dem Balkan, um eine schlimmere Katastrophe als den Ersten
Weltkrieg auszulösen. Und zwar einfach deswegen, weil die
Menschheit sich der Entfaltung ihrer technischen Mittel nicht ge-
wachsen zeigt.2
1 Für Kritik danke ich Ana-Stanca Tabarasi-Hoffmann, Carl Pietzcker, Armin Volkmar Wernsing,
Lars Axel Petersen und Klaus Schulte.
2 Am 26. September 1983, verhinderte nur die Besonnenheit eines sowjetischen Offiziers, dass die
menschliche Zivilisation in einem Atomkrieg unterging. Er führte den grundsätzlichen Befehl zum
Gegenschlag nicht aus, als das Warnsystem fälschlich den Anflug amerikanischer Atomraketen
meldete. Heute ist die Katastrophe wahrscheinlicher als damals im Kalten Krieg. Es geht nicht
darum, die alte Geschichte der Untergangszenarien fortzuschreiben. Die Tatsache, dass das Ende der
menschlichen Zivilisation wahrscheinlicher ist als ihr Erhalt, können heute nur Traumtänzerei und
Dummheit leugnen. Sie werden befeuert durch das Machtinteresse herrschender Klassen, die globa-
le Egoismen lehren, wo allein noch in globaler Solidarität vielleicht Rettung wäre.